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Aktuelles:

Abrechnungsbetrug mangels rechtfertigender Indikation

23. September 2020

§ 119 Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) bestimmt, dass die Anwendung ionisierender Strahlung und radioaktiver Stoffe am Menschen ohne eine vorherige rechtfertigende Indikation nicht zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn eine Anforderung seitens eines Arztes oder Zahnarztes vorliegt. Werden entsprechende Leistungen, zu denen z.B. auch solche der Röntgendiagnostik gehören, erbracht, obwohl eine solche Indikation nicht gestellt worden ist, verstößt der verantwortliche Arzt nicht nur gegen die StrlSchV. Im Fall der Behandlung von Kassenpatienten gibt jeder Vertragsarzt bei der Quartalsabrechnung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) eine Abrechnungs-Sammelerklärung ab. Darin versichert der Arzt u.a., dass er die maßgeblichen Regelungen und Bestimmungen beachtet hat. Wurde nur eine einzige der abgerechneten Leistungen nicht oder nicht ordnungsgemäß erbracht, ist die Erklärung – so urteilte das BSG bereits vor Jahren (Urteil vom 17.09.1997, Az. 6 RKA 86/95) – unrichtig, was negative Konsequenzen für den Honoraranspruch des Vertragsarztes hat. Doch nicht nur das. Vor einem knappen Jahr hatte sich die Wirtschaftsstrafkammer des LG Saarbrücken in diesem Zusammenhang mit der strafrechtlichen Bewertung einer Fallkonstellation zu befassen, wie sie für radiologische Praxen als geradezu klassisch bezeichnet werden darf (Urteil vom 19.11.2019, Az. 2 KLs 5/18).

Der Fall

Der angeklagte Arzt betrieb mit seinem zunächst mitangeklagten Kollegen eine radiologische Gemeinschaftspraxis. Die Behandlung der Kassenpatienten hatten beide Ärzte so organisiert, dass der überwiegende Teil der Patienten, die wegen einer CT- oder einer Röntgenuntersuchung in die Praxis kamen, diese ohne die vorherige Stellung einer rechtfertigenden Indikation durch einen der beiden Ärzte durchliefen. Im Rahmen der Terminvereinbarung fragte das Praxispersonal bei den Patienten ab, um welche Art von Untersuchung es sich handele, welches Körperteil betroffen sei und ob Kontrastmittel erforderlich sei. Am Untersuchungstag selbst legten die Patienten am Anmeldeschalter der Praxis dann erstmals die ärztliche Überweisung vor, woraufhin sie vom Praxispersonal – je nach Art der Untersuchung – einen Fragebogen erhielten. Der Fragebogen „Computertomographie“ enthielt auf der Rückseite zusätzlich eine Art Aufklärungsbogen mit „Angaben zur Untersuchungsdurchführung, Risiken und mögliche Nebenwirkungen der geplanten CT-Untersuchung, gegebenenfalls auch der kontrastverstärkten CT-Untersuchung“. Am Ende des Fragebogens bestätigten die Patienten mit ihrer Unterschrift „ihr Einverständnis für die geplante Untersuchung“ und dass sie „zurzeit keine weiteren Fragen“ haben. Daneben befand sich ein Feld für die Unterschrift eines der beiden Ärzte. Diese hatten in der Regel die Fragebögen bereits vor Aushändigung an die Patienten blanko unterschrieben. Offen gebliebene Fragen wurden ebenfalls durch die Mitarbeiter der Praxis geklärt. Sie waren es auch, die den Patienten ggf. das zu trinkende Kontrastmittel verausgabten und seine Handhabung erklärten. Erst im Anschluss an die Untersuchung kam der Arzt mit dem Patientenvorgang in Berührung. Der Arzt griff über die praxisinterne EDV auf die Aufnahmen zu, verfasste den Befundbericht und ließ diesen über die Praxismitarbeiter an den jeweils zuweisenden Arzt verschicken. Der Arzt reichte die so erbrachten Leistungen bei der zuständigen KV ein und erhielt die entsprechende Vergütung.

Die Entscheidung

Das LG Saarbrücken verurteilte den Arzt wegen Betrugs (§ 263 StGB) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und setzte die Vollstreckung zur Bewährung aus. Die für einen Betrug erforderliche Täuschungshandlung sah die Strafkammer in der wahrheitswidrigen Abgabe der Sammelerklärung. Die Leistungen seien ohne die erforderliche rechtfertigende Indikation erbracht worden, so dass die in den Sammelerklärungen ausgewiesenen Gebührenziffern aus Kapitel 34 des EBM nicht abrechnungsfähig gewesen seien. Ebenso liege ein täuschungsbedingter Irrtum seitens der KV vor, da deren Mitarbeiter stillschweigend davon ausgegangen sei, dass die Abrechnung in Ordnung sei. Mit der anschließenden Auszahlung werde die weitere Voraussetzung des § 263 StGB, nämlich die einer Vermögensverfügung, erfüllt. Dadurch sei bei der KV im Ergebnis auch ein entsprechender Vermögensschaden entstanden. Dass der Arzt – die fehlende Indikationsstellung außen vor gelassen – eine medizinisch korrekte Leistung erbracht habe, stehe der Annahme eines Schadens nicht entgegen. Vielmehr gelte auch im Strafrecht die streng formale Betrachtungsweise des Sozialversicherungsrechts.


Fazit

Das Urteil setzt zwar die bestehende Rechtsprechung lediglich fort. Die Entscheidung zeigt jedoch einmal mehr die streng formale Betrachtungsweise der Gerichte auf und verdeutlicht das rechtliche Gewicht der abgegebenen Sammelerklärung. Praxisabläufe sollten daher in regelmäßigen Abständen darauf überprüft werden, ob sie den aktuellen Anforderungen entsprechen, und erforderlichenfalls angepasst werden.