Ambulante Versorgung und Krankenhauslandschaft – der Koalitionsvertrag im Schnellcheck
Ambulante Versorgung und Krankenhauslandschaft – der Koalitionsvertrag im Schnellcheck
Nach spannenden Stunden im Deutschen Bundestag hat der bereits zuvor unterzeichnete Koalitionsvertrag mit der Wahl von Friedrich Merz zum Bundeskanzler seine letzte Hürde genommen. Jetzt geht es an die Umsetzung.
Die in Abschnitt 4.2.des Koalitionsvertrags zu den Bereichen Gesundheit und Pflege formulierten gesundheitspolitischen Vorhaben stehen unter dem Eindruck der angespannten Finanzsituation der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung. Ziel im Bereich der GKV ist es, die Beitragssätze zu stabilisieren und gleichzeitig eine hohe Qualität und ein hohes Leistungsniveau zu sichern. Gelingen soll dies durch höhere Einnahmen durch ein Mehr an Beschäftigten und durch eine Reduzierung der Ausgaben. Die Rede ist von tiefgreifenden strukturellen Reformen. Maßgebliche Bedeutung bei der Umsetzung wird einer noch einzurichtenden Kommission unter Beteiligung von Expertinnen und Experten und Sozialpartnern zukommen, die „die gesundheitspolitischen Vorhaben dieses Koalitionsvertrags in der Gesamtwirkung betrachtet und bis zum Frühjahr 2027 Ableitungen trifft und konkrete weitere Maßnahmen vorschlägt“. Auch im Hinblick darauf verwundert es nicht, dass auf 9 Seiten des Koalitionsvertrags zwar - größtenteils nur recht allgemein - Ziele formuliert werden, es jedoch oftmals offenbleibt, durch welche konkreten Regelungen diese erreicht werden sollen. Dies gilt auch für die Bereiche „Ambulante Versorgung“ und „Krankenhauslandschaft“.
Ambulante Versorgung
Erklärte Ziele sind (mal wieder) die Verringerung der Wartezeiten, die Entlastung des Personals in ärztlichen Praxen und ein bedarfsgerechter und strukturierterer Zugang zur fachärztlichen Versorgung. Dazu setzen die Koalitionsparteien auf ein verbindliches Primärarztsystem durch Haus- und Kinderärzte. Ausnahmen sind vorgesehen bzw. werden noch erarbeitet. Die Haus- und Kinderärzte oder die von den KVen betriebene Rufnummer 116117 stellen den medizinisch notwendigen Bedarf für einen Facharzttermin fest und legen auch den dafür notwendigen Zeitkorridor fest. Die KVen werden verpflichtet, diese Termine zu vermitteln. Gelingt dies nicht, erhalten die Patientinnen und Patienten die Möglichkeit der ambulanten fachärztlichen Versorgung im Krankenhaus.
Gleichzeitig geht es auch darum, die Anzahl nicht bedarfsgerechter Arzt-Kontakte zu reduzieren. In diesem Zusammenhang ist von „Jahrespauschalen“ und einer „Flexibilisierung des Quartalsbezugs“ die Rede. Damit sollen neue Patientinnen und Patienten besseren Zugang erhalten, und die Vergütung von Praxis-Patienten-Kontakten soll ermöglicht werden. Detailliertere Informationen zur Ausgestaltung enthält der Koalitionsvertrag nicht.
Im Bereich der Bedarfsplanung soll die Länderbeteiligung in den Zulassungsausschüssen über eine „ausschlaggebende Stimme“ gestärkt und eine „kleinteiligere Bedarfsplanung“ ermöglicht werden. Zudem soll ein „Fairnessausgleich“ zwischen über- und unterversorgten Gebieten erfolgen. Dazu soll eine Entbudgetierung von Fachärztinnen und Fachärzten in unterversorgten Gebieten geprüft werden. Darüber hinaus sollen dort universitäre Lehrpraxen „vereinfacht ausgebracht“ werden können. Außerdem geplant: Honorarzuschläge in (drohend) unterversorgten Gebieten und Abschläge vom Honorar in überversorgten Gebieten (größer 120 %).
Weitere Vorhaben:
- Stärkung der sektorenübergreifenden Versorgung durch die Weiterentwicklung und umfassende Ermöglichung der sogenannten Hybrid-DRGs
- Schaffung eines Gesetzes zur Regulierung investorenbetriebener MVZ (iMVZ-Regulierungsgesetz). Damit sollen die Transparenz über die Eigentümerstruktur und die systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel sichergestellt werden.
- Änderungen zum Ausschluss von Missbrauch bei der telefonischen Krankschreibung
- Schaffung einer gesetzlichen Regelung zur Sozialversicherungsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten im Bereitschaftsdienst der Krankenversicherung
- Gesetze zur Notfall- und Rettungsdienstreform werden auf den Weg gebracht
Krankenhauslandschaft
Das von der Ampel-Regierung geschaffene Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) zur Krankenhausreform ist seit dem 1.1.2025 in Kraft. Aufbauend auf dieser Reform soll eine „qualitative, bedarfsgerechte und praxistaugliche Krankenhauslandschaft“ fortentwickelt und die dafür erforderlichen gesetzlichen Regelungen bis zum Sommer 2025 geschaffen werden. Den Bundesländern, die mit der Umsetzung der Krankenhausreform befasst sind, soll die Sicherstellung der Grund- (innere, Chirurgie, Gynäkologie und Geburtshilfe) und Notfallversorgung der Menschen besonders im ländlichen Raum durch „Ausnahmen und erweiterte Kooperationen“ ermöglicht werden. Es besteht das Ziel, die in den Ländern bestehenden und für die Versorgung relevanten Fachkliniken zu erhalten. Dies soll mit einer Überarbeitung der Definition der Fachkrankenhäuser erreicht werden. Auch das System der belegärztlichen Versorgung soll nicht nur erhalten, sondern vielmehr verbessert werden, und zwar ohne Einbußen in der Qualität der Leistungserbringung.
Die von Nordrhein-Westfalen bereits vor Längerem entwickelte Logik der Leistungsgruppen und der damit einhergehende Abschied vom Bett als Planungsgröße soll bis zum 1.1.2027 bundesweit umgesetzt, d. h. die 61 (statt ursprünglich 65) Leistungsgruppen (60 NRW-Leistungsgruppen zuzüglich spezielle Traumatologie) zugewiesen werden. Soweit Bundesländer die Leistungsgruppen bereits bis zum 31.12.2024 zugewiesen haben, bleiben diese wirksam und werden als Basis für die Vergütung ab 2026 genutzt. Diese Übergangsregelung gilt bis Ende 2030.
Die bis zum 1.1.2027 geltenden Zwischenfristen zur Umsetzung der Krankenhausreform werden angepasst. Auch die Leistungsgruppen werden in Bezug auf ihre Leistungs- und/oder Qualitätsvorgaben verändert, wo dies medizinisch sinnvoll ist.
Die Finanzierungslücke aus den Jahren 2022 und 2023 soll aus dem Sondervermögen Infrastruktur gedeckt werden. Wann die Auszahlung dieser Sofort-Transformationskosten erfolgen soll, lässt der Koalitionsvertrag offen.
Ein weiteres Vorhaben, das im Koalitionsvertrag beinahe eine ganze Seite einnimmt, ist der „Bürokratieabbau im Gesundheitswesen“. Dazu soll es ein gesondertes Bürokratieentlastungsgesetz im Gesundheitswesen geben, durch das Dokumentationspflichten und Kontrolldichten massiv verringert werden sollen. Es soll eine Vertrauenskultur etabliert und die Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Professionen gestärkt werden. Dazu gehört auch die Einführung von Bagatellgrenzen bei der Abrechnungsprüfung sowie ein Absenken der Prüfquote bei Krankenhäusern.
Fazit
Die Koalitionsparteien haben ihre Ziele und Wünsche im Vertrag formuliert. Geht es um die Umsetzung, schweigt der Koalitionsvertrag an vielen Stellen. Hinzu kommt, dass sämtliche Maßnahmen des Koalitionsvertrages unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Damit bleibt letztlich offen, welche der im Vertrag formulierten Pläne überhaupt und wann und wie Realität werden.