Vollstationäre Notfallbehandlung: Neue Herausforderungen für Krankenhäuser

Es geht um die Abrechenbarkeit von Notfallbehandlungen im Krankenhaus und die Frage, ab wann bzw. unter welchen Voraussetzungen eine stationäre Behandlung vorliegt, wenn der Patient später in ein anderes Krankenhaus verlegt wird. Ausgangspunkt der Diskussion ist das sogenannte „Schockraum-Urteil“ des BSG vom 18.5.2021 (Az. B 1 KR 11/20). Darin entschied das BSG, dass ein Krankenhaus nicht bereits deshalb zwingend stationär behandele, weil es den Patienten parallel zur Aufnahmeuntersuchung notfallmäßig versorgen müsse. Dies gelte auch dann, wenn von Beginn an kein ernsthafter Zweifel daran bestehen könne, dass der Patient überhaupt einer stationären Behandlung bedürfe. Die Aufnahmeuntersuchung, so das BSG, diene der Klärung, ob eine Aufnahme des Versicherten in das Krankenhaus erforderlich sei. Die hierzu vorgenommenen Untersuchungen begründeten nicht zwingend bereits selbst die Aufnahme in das Krankenhaus. Ergäbe sich nach der Aufnahmeuntersuchung, dass eine Verweisung des Versicherten an ein anderes Krankenhaus oder die ambulante Weiterbehandlung medizinisch erforderlich und ausreichend sei, liege keine stationäre Behandlung vor. Dies gelte auch in den Fällen, in denen ein Versicherter als Notfall mit einem Rettungswagen durch einen Notarzt in ein Krankenhaus eingeliefert werde (s. dazu BDO LEGAL INSIGHTS).

Mit Urteil vom 29.08.2023 (Az. B 1 KR 15/22 R) weichte das BSG die Anforderungen an das Vorliegen einer stationären Aufnahme auf. Es entschied, dass eine kurzzeitige Notfallbehandlung im erstangegangenen Krankenhaus bei zeitnaher Verlegung in ein anderes Krankenhaus für eine stationäre Aufnahme ausreiche, wenn die Notfallbehandlung im zunächst angegangenen Krankenhaus eine hohe Intensität aufweise (s. dazu BDO LEGAL INSIGHTS).

Inzwischen liegen die Entscheidungsgründe des Urteils vor, und diese halten für Krankenhäuser neue Informationspflichten bereit.

Entscheidungsgründe des Urteils: Krankenhaus obliegt gesonderte Informationspflicht

Für die Abrechnung von kurzzeitigen (voll)stationären Notfallbehandlungen mit Verlegung des Patienten in ein anderes Krankenhaus binnen weniger Stunden weist der 1. Senat des BSG in dem Urteil darauf hin, dass die Vergütung für die Behandlung erst dann fällig werde, wenn aus den mit der Abrechnung mitgeteilten Daten der konkrete intensive Mitteleinsatz deutlich werde. Dazu heißt es „Dies erfordert nach § 301 Abs. 1 SGB V grundsätzlich mehr als die bloße Kodierung von Nummern des Operationen- und Prozedurenschlüssels (OPS) und Diagnosen des ICD-10-GM (…). Der für eine konkludente Aufnahme in das Krankenhaus erforderliche intensive Mitteleinsatz ist daraus nicht ohne weiteres ablesbar. Anders verhält es sich nur dann, wenn die kodierten OPS-Kodes untrennbar mit einem solchen intensiven Mitteleinsatz zumindest regelhaft verbunden sind. Ist es zu keinem intensiven Mitteleinsatz gekommen, muss der Behandlungsplan dargestellt und erläutert werden, dass er im Zeitpunkt des Behandlungsentschlusses noch Verwirklichungschancen hatte und warum es nicht zu seiner Durchführung kam“ (BSG, Urteil vom 29.8.2023, a.a.O.).
 

Fazit
Mit diesen neuen Anforderungen liefert das BSG den Kostenträgern jede Menge „Futter“ für neue Abrechnungsstreitigkeiten. Denn was genau bedeutet „intensiver Mitteleinsatz“? Und welche Diagnosen und Prozeduren sind regelhaft mit einem intensiven Mitteleinsatz verbunden? Es steht zu befürchten, dass sich die Sozialgerichte schon bald mit diesen und weiteren Fragestellungen befassen müssen.