Probleme der „externen Wahlarztkette“

Probleme der „externen Wahlarztkette“

Problemstellung

Wünscht ein Krankenhauspatient die sogenannte „Chefarztbehandlung“, handelt es sich hierbei bekanntermaßen um die Erbringung wahlärztlicher Leistungen gemäß § 17 KHEntgG. Die von dem Patienten vor der Erbringung dieser Leistungen schriftlich abzuschließende Vereinbarung erfasst sowohl die an der Behandlung des Patienten beteiligten angestellten oder beamteten Ärzte des Krankenhauses, soweit diese nach Maßgabe des § 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG liquidationsberechtigt sind, (sogenannte „interne Wahlarztkette“), als auch die Ärzte und ärztlich geleiteten Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses, soweit diese von den vorgenannten Krankenhausärzten veranlasste Leistungen erbringen (sogenannte „externe Wahlarztkette“). 

Unstreitig ist, dass der Patient, der sich die Chefarztbehandlung „hinzukauft“, sich von der besonderen Qualifikation der Ärzte eine qualitativ hochwertigere Behandlung verspricht. Auch der Bundesgerichtshof unterscheidet zwischen einem Facharztstandard bei allgemeinen Krankenhausleistungen und einem Chefarztstandard, wenn es um wahlärztliche Leistungen geht (BGH, Urteil vom 16.10.2014, Az. III ZR 85/14). Dieser Chefarztstandard ist unstreitig einzuhalten, wenn es um Leistungen der „internen Wahlarztkette“ geht. Komplizierter wird es, wenn die Ärzte bzw. ärztlich geleiteten Einrichtungen der „externen Wahlarztkette“ betroffen sind. Denn ob das Erfordernis des Chefarztstandards auch hier gilt, ist in der Rechtsprechung nach wie vor umstritten.

Rechtsprechung uneinheitlich

Für Aufmerksamkeit sorgte vor Jahren eine Entscheidung des LG Stade (Urteil vom 20.05.2015, Az. 4 S 45/14). Dort hatte das Gericht radiologische Leistungen, die nach einer erfolgten Ausgliederung der radiologischen Abteilung des Krankenhauses von einer Arztpraxis auf der Grundlage eines mit dem Krankenhaus geschlossenen Kooperationsvertrages erbracht wurden, als allgemeine Krankenhausleistungen gewertet, und zwar auch hinsichtlich solcher Patienten mit “Chefarztbehandlung“. Die erbrachten Leistungen konnten somit nicht über die „externe Wahlarztkette“ liquidiert werden. Seine Entscheidung begründete das LG Stade unter anderem damit, dass es sich gerade nicht um eine einzelfallbezogene Hinzuziehung einer externen ärztlichen Leistung handele. Vielmehr führe der Kooperationsvertrag dazu, dass die Arztpraxis für alle radiologischen Leistungen beauftragt werde. Die Veranlassung durch den Wahlarzt sei daher eine bloße Formalie. Eine Alternative hin-sichtlich der Durchführung durch einen besonders qualifizierten Arzt stehe nicht zur Verfügung.

Erfreulicherweise haben inzwischen mehrere Oberlandesgerichte anders entschieden (OLG München, Beschluss vom 05.11.2019, Az. 1 U 4174/19; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.09.2019, Az. 8 U 140/17), darunter auch das OLG Bamberg (Beschluss vom 03.05.2022, Az. 4 U 306/21), das der Sichtweise des LG Stade eine klare Absage erteilt. 

Laut OLG Bamberg habe allein das Bestehen einer Kooperationsvereinbarung zwischen Krankenhaus und externem Arzt keine Bedeutung hinsichtlich der Qualifikation der extern erbrachten Leistung als allgemeine Krankenhausleistung oder ärztliche Wahlleistung. Es komme auch nicht darauf an, ob die extern vorgenommene Leistung lediglich durchschnittlich im Sinne des Fahrradstandards sei oder selbst eine hochqualifizierte Leistung darstelle. Entscheidend für die Qualifizierung einer ärztlichen Leistung als Wahlleistung sei nämlich, dass der primäre Wahlarzt (in der Regel der Chefarzt), der das besondere Vertrauen des Patienten genießt, seine Entscheidung über das „Ob“ einer bestimmten, von Dritten durchzuführenden Maßnahme nicht nur von der fachlich gebotenen Vorgehensweise abhängig mache, sondern davon, ob diese erforderlich sei, die besonders qualifizierte und hochwertige ärztliche Leistung – wie sie von ihm aufgrund der Wahlarztvereinbarung geschuldet wird – zu erbringen.

Des Weiteren fehle es an einer Veranlassung der Leistung durch einen Wahlarzt oder sonstigen liquidationsberechtigten Arzt (§ 17 Abs. 3 Satz 1 KHEntgG) nur dann, wenn diesen Ärzten nicht nur das „Wo“ der zu erbringenden Leistung, sondern auch die Entscheidung, „ob“ eine solche Leistung überhaupt zu erbringen sei, durch die Kooperationsvereinbarung bzw. durch eine entsprechende Weisung durch das Krankenhaus vorgegeben wäre.
 

Fazit

In den vergangenen Jahrzehnten haben unzählige Krankenhäuser vor allem ihre eigenen Labore und Radiologieabteilungen geschlossen und Kooperationsvereinbarungen mit dem niedergelassenen Bereich getroffen, über den diese Leistungen seitdem bezogen werden, auch bei Patienten, die wahlärztliche Leistungen vereinbart haben. Die rechtliche Problematik der „externen Wahlarztkette“ im Zusammenhang mit bestehenden Kooperationsvereinbarungen dürfte die Akteure daher bis zu einer höchstrichterlichen Entscheidung durch den BGH noch eine Zeit lang begleiten. Hiervon zu trennen ist die Frage, ob die Leistung überhaupt auf einen Dritten ausgelagert werden durfte. Hierfür zuständig: die Sozialgerichtsbarkeit. Nach Auffassung des BSG gilt, dass Krankenhäuser wesentliche von ihrem Versorgungsauftrag umfasste Leistungen nicht regelmäßig und planvoll auf Dritte auslagern dürfen. Vielmehr sind sie dazu verpflichtet, die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen für die in ihrem Versorgungsauftrag ausgewiesene Bereiche vorzuhalten.