MVZ: kein ärztlicher Leiter – kein Honoraranspruch

MVZ: kein ärztlicher Leiter – kein Honoraranspruch

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind per gesetzlicher Definition ärztlich geleitete Einrichtungen. Gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 SGB V muss das MVZ über einen ärztlichen Leiter verfügen, der in dem MVZ selbst als angestellter Arzt oder Vertragsarzt tätig und in medizinischen Fragen weisungsfrei ist. Das Vorhandensein einer ärztlichen Leitung ist damit konstitutiv für das MVZ - ohne ärztliche Leitung liegt bereits begrifflich kein MVZ vor, was für eine bestehende Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung selbstverständlich nicht ohne Folgen bleiben kann. Doch damit nicht genug. Laut einem aktuellen Urteil des Sozialgerichts München hat das Fehlen der ärztlichen Leitung auch Konsequenzen für die Honoraransprüche des MVZ (SG München, Urteil vom 29.02.2024, Az. S 49 KA 5037/23).

Der Fall 

Wegen ihrer Schwangerschaft wurde der ärztlichen Leiterin eines zahnmedizinischen MVZ in der Zeit von Ende Juli bis Ende November 2021 ihre ärztliche Tätigkeit nach dem Mutterschutzgesetz untersagt. Das MVZ teilte dem Zulassungsausschuss der beklagten Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) im Oktober 2021 mit, dass die Ärztin ihre zahnärztliche Tätigkeit einschließlich der zahnärztlichen Leitung zum 29.07.2021 beendet habe. Weiter informierte das MVZ darüber, dass ab dem 25.11.2021 eine neue ärztliche Leitung ihre Arbeit aufnehme, und stellte dementsprechend einen Antrag auf Änderung der ärztlichen Leitung. Der Zulassungsausschuss stellte daraufhin mit Beschluss vom 24.11.2021 sowohl das Ende der genehmigten Anstellung der Zahnärztin als auch das der ärztlichen Leitung zum 24.11.2021 fest. Ein rückwirkender Beschluss war dem Zulassungsausschuss aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

Einige Monate später beantragte der spätere Kläger (ein Krankenkassenverband) bei der KZV eine sachlich-rechnerische Berichtigung aller vom MVZ in der Zeit der Abwesenheit erbrachten zahnärztlichen Leistungen. Zur Begründung führte der Krankenkassenverband aus, dass das MVZ im vorgenannten Zeitraum über keine ärztliche Leitung verfügt habe. Die KZV lehnte dies ab und wies auch den späteren Widerspruch des Krankenkassenverbandes als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die KZV im Wesentlichen aus, dass das MVZ im fraglichen Zeitraum durchgängig zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen gewesen und zur Abrechnung vertragszahnärztlicher Leistungen berechtigt gewesen sei. Selbst wenn die Abwesenheit der zahnärztlichen Leiterin aus Sicht des Krankenkassenverbandes einen Grund zur Entziehung der Zulassung nach § 95 Abs. 6 SGB V dargestellt haben sollte, so sei dies ohne Belang, denn die Zulassung sei nicht entzogen worden. Sie sei an die Entscheidung des Zulassungsausschusses gebunden. Der Krankenkassenverband erhob Klage vor dem SG München – mit Erfolg.

Die Entscheidung 

Das Gericht gelangte zu dem Ergebnis, dass die KZV den Antrag des Klägers auf Durchführung der sachlich-rechnerischen Berichtigung (§ 106d SGB V) zu Unrecht abgelehnt habe. Denn – so das Gericht – die im streitgegenständlichen Zeitraum vom MVZ erbrachten abgerechneten Leistungen seien nicht rechtmäßig erbracht worden, da das MVZ in diesem Zeitraum nicht, wie in § 95 Abs. 1 Satz 2 und 3 SGB V vorgesehen, zahnärztlich geleitet worden sei. Dass der Gesetzgeber dem Vorhandensein einer zahnärztlichen Leitung eine hohe Bedeutung beimesse, ergebe sich bereits daraus, dass das MVZ per Definition eine zahnärztliche Leitung haben müsse. Diese sei konstitutiv für das MVZ. Sei diese Leitung nicht vorhanden, sei den MVZ die Zulassung zu entziehen, und zwar ohne die 6-monatige Schonfrist. Auch wenn der ärztliche Leiter eines MVZ keine fachliche Verantwortung für jede einzelne Behandlungsmaßnahme treffe, so trage er aber die Gesamtverantwortung für die ärztliche Steuerung der Betriebsabläufe und eine Gesamtverantwortung gegenüber der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung. Die Wahrnehmung von Leitungsfunktionen und die dazu notwendige tatsächliche Einwirkung erforderten – so bereits das BSG – zunächst ärztliche Präsenz. Es sei eine Einbindung in die Strukturen des MVZ erforderlich, wie sie nur durch eigene ärztliche Tätigkeit gewährleistet werden könne. Diese Leitungsbefugnis müsse auch tatsächlich ausgeübt werden. Bei der ärztlichen Leitung handele es sich mithin nicht um eine rein formale Stellung. Vielmehr ist das Vorhandensein eines zahnärztlichen Leiters notwendige Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Leistungserbringung des MVZ.

Daraus folge, dass die Leistungen deshalb richtigzustellen seien, weil es im angegebenen Zeitraum keine zahnärztliche Leitung gegeben habe und die abgerechneten Leistungen daher nicht ordnungsgemäß erbracht worden seien. Dass das MVZ im streitgegenständlichen Zeitraum weiter über die erforderliche Zulassung und damit einen vertragszahnärztlichen Status verfügt habe, stehe einer sachlich-rechnerischen Richtigstellung der Abrechnung nicht entgegen. Denn seit jeher werde zwischen Status und Abrechnungsberechtigung unterschieden.

Ein vollständiger Honorarverlust sei weder nicht interessengerecht noch unverhältnismäßig. 
 

Fazit

Dem ärztlichen Leiter eines MVZ kommt – wie sich bereits aus Gesetzeswortlaut Entstehungsgeschichte ergibt – eine zentrale Bedeutung zu. Für die Praxis ist den Beteiligten daher angesichts der Risiken möglicher Honorarausfälle zu empfehlen, in den einschlägigen Fällen stets einen Vertreter zu bestellen. Dies gilt selbst dann, wenn der Zeitraum nur einige wenige Monate beträgt.