Das BFH-Urteil vom 24.02.2021, Az. XI R 32/20 (XI R 42/19) befasst sich mit der umsatzsteuerrechtlichen Betrachtung von gebündelten Abrechnungsleistungen für Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen diverser Leistungserbringer gegenüber den Sozialversicherungsträgern.
Leitsätze:
- Abrechnungen von Krankentransport- und Rettungsdienstleistungen gegenüber Sozialversicherungsträgern, die ein Rettungsdienst (gemeinnütziger Verein) für den Träger des Rettungsdienstes und die anderen Rettungsdienste übernommen hat, können „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ iSd des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL sein, wenn der Sozialversicherungsträger diese Bündelung verlangt.
- Die Anerkennung als „Einrichtung mit sozialem Charakter“ iSd Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL auch bezüglich solcher Abrechnungsleistungen kann darin liegen, dass der Sozialversicherungsträger ein solches Abrechnungsverfahren von den Leistungserbringern verlangt und entsprechende Vereinbarungen geschlossen werden, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen.
Im strittigen Verfahren musste entschieden werden, ob die von einem als gemeinnützig anerkannten Verband der freien Wohlfahrtspflege und Mitglied eines Wohlfahrtsverbandes durchgeführte Abrechnung von Krankentransport und Notfallrettung gegenüber den Sozialleistungsträgern für fremde Leistungserbringung eine steuerpflichtige sonstige Leistung darstellt.
Auf Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen dem Kläger (dem Verband der freien Wohlfahrtspflege) und dem Landkreis war der Kläger seit 1995 als Leistungserbringer im öffentlichen Rettungsdienst tätig. Nach den Regelungen einer Zusatzvereinbarung und darauffolgenden Nachträgen erbrachte der Kläger ab 2012 Abrechnungsleistungen für die durch ihn sowie für die durch vier weitere Leistungserbringer erbrachten Leistungen im öffentlichen Rettungsdienst. Aus Gründen der Kostenersparnis hatte der Sozialleistungsträger vorgegeben, sämtliche Leistungen in einer Abrechnungsstelle je Landkreis zu bündeln. Demnach erfolgten die Abrechnungsleistungen des Klägers sowohl für die selbst erbrachten Leistungen als auch für die Leistungen Dritter ausdrücklich aufgrund der Vorgaben des Sozialleistungsträgers.
Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung wurde die Auffassung vertreten, dass es sich bei den Abrechnungsleistungen um eine eigenständige Hauptleistung des Klägers handelt, welche keinen Tatbestand zur Steuerbefreiung erfüllt, ebenso nicht nach § 4 Nr. 18 UStG. Zudem sei die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL durch Art. 134 MwStSystRL, insbesondere aufgrund einer etwaigen Wettbewerbsverzerrung, ausgeschlossen.
Der BFH entschied (nach Sprungklage und Revision), dass die Nebenleistungen des Klägers - in Form von Abrechnungsleistungen für sowohl selbst erbrachte Leistungen als auch für erbrachte Leistungen von dritten Leistungserbringern - von der Umsatzsteuer befreit seien, Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL. Hiernach werden sämtliche Leistungen einer Einrichtung, deren sozialer Charakter im Wesentlichen anerkannt ist, von der Umsatzsteuer befreit, insofern diese Leistungen eng mit der Sozialfürsorge oder der sozialen Sicherheit verbunden sind. Zudem könne nur durch die vom Kläger durchgeführten Abrechnungsleistungen eine korrekte Abrechnung erzielt werden. Die Nebenleistungen seien somit unerlässlich für die Durchführung der steuerbegünstigten Hauptleistung und erfüllten das Merkmal der „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundenen Dienstleistungen“, unabhängig davon, gegenüber wem der Kläger die Nebenleistungen erbracht habe, solange diese einen unerlässlichen Schritt bei der Durchführung der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit darstellten (vgl. BFH, Az. XI R 32/20 (XI R 42/19) Rz. 30; EuGH-Urteil Finanzamt D, EU:C:2020:811, Rz. 36). Einer Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL stünde auch Art. 134 Buchst. b MwStSystRL nicht entgegen, da angesichts der Vorgaben des Sozialleistungsträgers eine Wettbewerbsverzerrung ausgeschlossen sei.
Hinweis
Das Finanzgericht muss die Feststellung zur Höhe der steuerfreien Umsätze sowie der damit in Verbindung stehenden Vorsteuer nachholen. Die Sache ist somit bisher noch nicht spruchreif (vgl. BFH, Az. XI R 32/20 (XI R 42/19) Rz. 36).
*unter Mitwirkung von Katharina Zwanenburg, B.Sc./Master-Studentin, BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
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