LG Frankenthal: Wirksamkeit einer Wahlleistungsvereinbarung bei vorhersehbarer Verhinderung des Chefarztes

Der Fall

Der Beklagte befand sich nach einem Motorradunfall für einige Tage im Krankenhaus der Klägerin in stationärer Behandlung, zu der auch ein operativer Eingriff gehörte.

Noch vor der stationären Aufnahme unterzeichnete der Beklagte unter anderem eine „Wahlleistungsvereinbarung“, die auch eine Auflistung der ständigen ärztlichen Vertreter der aufgeführten Wahlärzte enthielt. Ferner gehörte dazu eine „Patientenerklärung bei vorhersehbarer Verhinderung des Wahlarztes“. Dort war festgehalten, dass der Patient informiert worden sei, dass der (namentlich genannte) Arzt verhindert sei und die vorgesehene Behandlung nicht persönlich durchführen könne. Im Anschluss daran bot das Papier dem Patienten die drei in der Praxis üblichen Alternativen des weiteren Vorgehens an. Der Patient entschied, dass die vorgesehene Behandlung durch den ständigen ärztlichen Vertreter des (namentlich benannten) Arztes, nämlich die dann namentlich genannte Ärztin, erfolgen solle, kreuzte die entsprechende Alternative an und unterschrieb die Erklärung. Wenig später unterschrieb er die (allgemeine) Wahlleistungsvereinbarung.

Die im Anschluss an den stationären Aufenthalt erstellte Rechnung der Klägerin über ca. 5.500 € beglich der Beklagte nicht. Über seine Prozessbevollmächtigten ließ er mitteilen, dass er eine Zahlung ablehne.

Die Klägerin zog vor das LG Frankenthal und klagte den offenen Rechnungsbetrag ein. Der Beklagte vertrat die Ansicht, dass die Wahlleistungs­vereinbarung unwirksam sei, da zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Vereinbarung die Verhinderung des Wahlarztes bereits festgestanden habe.
 

Die Entscheidung

Das LG Frankenthal gab der Klage der Krankenhausträgerin statt (Urteil vom 24.02.2023, Az. 4 O 229/22).

Die 4. Zivilkammer des LG Frankenthal befand, dass die getroffenen Vereinbarungen entgegen der Auffassung des Patienten nicht unwirksam seien. Es sei nämlich nicht so, dass die Klägerin dem Patienten wahlärztliche Leistungen in Kenntnis der Verhinderung des Chefarztes angeboten habe und den Patienten erst im Nachhinein hierüber in Kenntnis gesetzt habe. Vielmehr – und dies war zwischen den Parteien unstreitig – sei der Patient zuerst über die Verhinderung des Chefarztes informiert worden, woraufhin er ausdrücklich gewünscht habe, von der ständigen ärztlichen Vertreterin operiert zu werden. Erst im Anschluss daran seien die Stellvertretervereinbarung und die Wahlleistungsvereinbarung geschlossen worden.

Eine derartige Gestaltung sei mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 20.12.2007 (BGH, Az. III ZR 144/07) vereinbar. Denn der BGH habe ausgeführt, dass eine Stellvertretervereinbarung zusätzlich zur Wahlleistungsvereinbarung grundsätzlich auch für den Fall einer vorhersehbaren Verhinderung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Abschluss der Wahlleistungsvereinbarung geschlossen werden könne. So liege der Fall hier. Eine Individualvereinbarung, mit der sich der Wahlarzt von seiner Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung befreien lasse und die Ausführung einem Stellvertreter übertrage, sei grundsätzlich zulässig, wenn die Verhinderung des Wahlarztes im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung bereits feststehe, z.B. weil die Verhinderung aufgrund von Urlaub, Krankheit etc. absehbar sei. Eine solche Vereinbarung sei wirksam, wenn sie der Schriftform des § 17 Abs. 2 Satz 1 KHEntgG genüge und die besonderen Aufklärungspflichten erfüllt seien. So sei der Patient so früh wie möglich über die Verhinderung des Wahlarztes zu unterrichten. Solle die Stellvertretervereinbarung in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Abschluss des Wartungsvertrages getroffen werden, sei der Patient auf die Stellvertretervereinbarung gesondert ausdrücklich hinzuweisen. Des Weiteren sei der Patient über die ihm zustehenden Optionen zu unterrichten (Leistungserbringung durch den ständigen ärztlichen Vertreter/Verzicht auf die wahlärztlichen Leistungen/Verschiebung der Maßnahme). Diese Anforderungen seien im vorliegenden Fall erfüllt. Es handele sich auch um eine Individualvereinbarung und nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen, auch wenn der erste Anschein (Formular) dies nicht nahelege. Denn durch die gegebene Möglichkeit des Ankreuzens habe der Patient den Gehalt der Regelung mitgestalten können, ohne dass seine Wahlfreiheit durch Einflussnahme des Krankenhauses überlagert worden sei. Auch gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoße die Vereinbarung nicht.
 

Hinweis

Das Urteil wurde erst kürzlich vom OLG Zweibrücken bestätigt (Beschluss vom 03.07.2023, Az. 5 U 34/23).