Das BFH-Urteil vom 24.08.2022, Az. XI R 25/20, befasst sich mit der Frage, ob der Kläger für die Steuerbefreiung die Voraussetzungen des § 4 Nr. 17 Buchstabe b UStG erfüllen muss. Hiernach wird unter der Voraussetzung, dass es sich um einen hierfür anerkannten Unternehmer handelt, die Beförderung von kranken und verletzten Personen mit hierfür besonders ausgestatteten Fahrzeugen von der Umsatzsteuer befreit.
Leitsatz: „Die Beförderung kranker oder verletzter Personen oder solcher mit Behinderung durch einen hierfür anerkannten Unternehmer ist als „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistung“ i.S. des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL steuerfrei“.
Sachverhalt
Der Kläger, später seine Tochter-GmbH, an der er zu 60% beteiligt war, erbrachte Beförderungsleistungen ausschließlich für oder an kranke, behinderte oder verletzte Personen. Es lagen Genehmigungen nach § 49 Beförderungsgesetz vor, die „nur für Fahrgäste, die auf Grund ihrer körperlichen, geistigen und/oder seelischen Verfassung zur Einrichtung, Behandlung, Therapie, Arbeitsstätte, Krankenhaus, Arzt etc. und/oder zurück-gefahren werden müssen, evtl. im Rollstuhl sitzend oder im nicht qualifizierten Liegendtransport, einschließlich Begleitpersonen“ galten.
Der Kläger/die Tochter-GmbH rechnete die Transportleistungen zum Großteil direkt gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften ab. Eine ärztliche Verordnung war dafür erforderlich. Die Beförderungsleistungen erfüllten die Voraussetzungen für Krankenfahrten i. S. des § 73 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB V sowie der Krankentransport – Richtlinie. Lediglich wenn die Krankenkasse die Kostenerstattung ablehnte, wurde direkt mit der beförderten Person abgerechnet. Ferner wurden aufgrund von Vereinbarungen mit Einrichtungen und Verbänden Beförderungsleistungen, insbesondere von Menschen mit Behinderungen, durchgeführt. Schließlich beförderte die Klägerin bzw. später die Tochter-GmbH auch Essenscontainer und Medikamente.
Das Finanzamt gewährte nur zum Teil im Wege einer Schätzung eine Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 17b UStG und begründete das damit, dass die Fahrzeuge teilweise hierfür nicht gesondert ausgestattet waren.
Entscheidung des BFH
Der BFH hat den Fall an das FG Münster, das in der Vorinstanz entschieden hatte (Urteil vom 10.10.2019 , Az. 5 K 2662/16 U) zurückverwiesen, um zur Höhe der betreffenden Umsätze Aussagen zu treffen und zu prüfen, ob eine etwaige Privatnutzung von Fahrzeugen und Telefonen vorliege. Ferner müsse das Finanzgericht feststellen, in welcher Höhe Umsätze hinsichtlich der Lieferung von Essenscontainern und Medikamenten erbracht wurden, die (in diesem Fall) nicht unter die Steuerbefreiung fallen.
Im Übrigen seien die Voraussetzungen des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL gegeben. Die Steuerbefreiung knüpft sowohl an leistungs- als auch an personenbezogene Voraussetzungen an. Es muss sich damit zunächst um „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen“ handeln. Der BFH geht davon aus, dass hier entsprechende Dienstleistungen durch die GmbH erbracht wurden. Die Beförderung erstrecke sich nicht nur auf den originären Transport der Personen, Notfall-Sets sowie Sauerstoff werden vorgehalten und bei Bedarf Begleitpersonen mitgenommen. Die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL hängt nicht davon ab, wer Leistungsempfänger ist; es ist also unerheblich, dass Leistungen im Regelfall nicht gegenüber den beförderten Personen erbracht wurden. Ferner stell der BFH fest, dass die Klägerin richtlinienkonform eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter betreibe. Dafür spreche u.a. auch, dass die Kosten weitestgehend von Einrichtungen der sozialen Sicherheit übernommen werden. Soweit Taxi- und Mietwagenunternehmen mit den streitgegenständlichen Leistungen vergleichbare Leistungen erbringen, aber die weiteren Voraussetzungen der Unternehmensanerkennung nicht erfüllen, ist das Fehlen dieser Voraussetzungen für Wettbewerber nicht geeignet, eine Wettbewerbsverzerrung zu begründen. Diesen Unternehmen stünde es jedoch frei, sich auch um die o.g. Steuerbefreiung zu bemühen, indem sie die Voraussetzungen hierfür schaffen.
Fazit
§ 4 Nr. 17b UStG knüpft an die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung die Bedingung, dass für die Beförderungsleistung die Fahrzeuge entsprechend eingerichtet und ausgestattet sind. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g MwStSystRL ist hier weitsichtiger. Es kommt nicht nur auf die Beschaffung der Fahrzeuge an, sondern darauf, dass es sich um eine anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter handelt. Eine solche liegt i.d.R. vor, wenn die Kosten überwiegend von den Sozialversicherungsträgern übernommen werden.