Der Bundesfinanzhof (BFH) hat den Grundsatz, dass bei einem eingetragenen Verein die Einflussnahme auf politische Willensbildung und Öffentlichkeit nicht über das hinausgehen darf, was im Rahmen seiner steuerbegünstigten Zweckerfüllung erforderlich ist, mit Beschluss vom 18.08.2021, Az. V B 25/21 (AdV), in einem Eilverfahren präzisiert. Demnach ist die allgemeinpolitische Betätigung im Rahmen des steuerbegünstigten Zwecks nicht als gemeinnützigkeitsschädlich anzusehen, wenn eine nach § 52 Abs. 2 AO begünstigte Tätigkeit im Einzelfall mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden ist. Sie darf aber nicht über das hinausgehen, was für das Eintreten für diesen jeweiligen Zweck und dessen Verwirklichung notwendig ist.
Der Fall
Ein eingetragener Verein, welcher satzungsgemäß die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens sowie die Förderung des allgemeinen demokratischen Staatswesens verfolgt, veröffentlicht auf seiner Internetseite zeitweise Dokumente zum Download und dauerhaft abrufbare Videos, die sich u.a. mit der Frage nach der Effektivität der Maskenpflicht und sonstigen getroffenen Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie befassen, mit der Aufforderung der Aufhebung der verhängten Maßnahmen. Bei Weiterführung der Maßnahmen forderte er die Einsetzung des Untersuchungsausschusses unter Verweis auf das Recht zum Widerstand nach Art. 20 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG).
Das beklagte Finanzamt widerrief die Gemeinnützigkeit des Vereins sowie die Berechtigung zur Ausstellung von Zuwendungsbetätigungen und erließ einen Vorauszahlungsbescheid mit der Begründung, dass die tatsächliche Geschäftsführung nicht die satzungsmäßigen Zwecke fördere und originär politische Zwecke verfolge.
Entscheidungsgründe des Gerichts
Grundsätzlich gilt, dass die satzungsmäßig zu verfolgenden Ziele, also auch die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und der allgemeinen Förderung des demokratischen Staatswesens nach § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 24 AO, gem. § 52 Abs. 1 AO, der Förderung der Allgemeinheit dienen müssen. Die Förderung des demokratischen Staatswesens ist demnach – aus Sicht des Gerichts - nicht als Förderung der Verfolgung von politischen Zwecken zu verstehen. Vielmehr bedeutet die Förderung der Allgemeinheit die Anregung von Diskussionen und die Weitergabe von kritischen öffentlichen Informationen, ohne dabei „Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art“ zu verfolgen. Der BFH setzt die gebotene Objektivität und Neutralität für die Steuerbegünstigung nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 24 AO voraus.
Nach Auffassung des BFH überschreiten die Betätigungen des Vereins daher die Grenzen der zulässigen Zweckerfüllung, da es aufgrund der veröffentlichten Videos und Dokumenten zur politischen Willensbildung und Gestaltung der öffentlichen Meinung kommt. Dem Verein werden nämlich die Äußerungen seines Vorsitzenden zugerechnet, welcher nicht nur zu eigenen - als richtig erachteten - Erkenntnissen zum Gesundheitswesen gelangt, sondern diese mit einer Kritikausübung über die Abhängigkeit von Politikern von „anderen Mächten“, die die Pandemie geplant haben sollen, verknüpft und an anderer Stelle die Aufhebung der Maßnahmen zur Corona-Pandemie fordert. Die Aussagen basieren also nicht auf ausschließlich belegbaren aktuellen Erkenntnissen der Forschung und der Wissenschaft und fördern damit nicht die Bekämpfung von Krankheiten und Seuchen oder informieren die Bevölkerung über deren Verhinderung.
Weiterhin wies der BFH darauf hin, dass das Zitat des Widerstandsrechts nach Art. 20 Abs. 4 GG, welches in einem zeitweise zugänglichen Dokument erwähnt ist, in seiner Art und Weise in keinem Zusammenhang mit der Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens steht. Dem Staat stehen rechtsstaatliche Mittel zur Überprüfung der Maßnahmen zur Verfügung. Somit ist die Rechtsordnung gegeben und die Ausübung von Rechtsbehelfen möglich. Das Widerstandsrecht findet erst Anwendung, wenn die Ausübung von Rechtsbehelfen so geringe Aussichten auf Erfolg hat, dass es nicht zur Abhilfe kommen kann.
Fazit
Nicht jede Einflussnahme auf die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung ist gemeinnützigkeitsschädlich. Im vorliegenden Fall ist Empirik mit fakten-losgelösten Argumenten/Erkenntnissen und Forderungen vermischt worden, so dass die eigene politische Meinung versucht wird, durchzusetzen, was letztendlich zum Entzug der Gemeinnützigkeit führt. Die eigene Meinung muss dabei nicht parteienbezogen sein, um als „politische Meinung“ gewertet zu werden.
Ansprechpartner
Wolfgang Schmidbauer
BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Partner, Steuerberater
Leiter Fachbereich Gesundheitswesen und Sozialwirtschaft
wolfgang.schmidbauer@bdo.de
Daniel Schneider
BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Senior Manager, Steuerberater
Gesundheitswesen und Sozialwirtschaft
daniel.schneider@bdo.de