Weltweit leben viele Millionen Menschen unter unwürdigen Verhältnissen, weil unter anderem soziale Mindeststandards wie das Verbot von Zwangs- und Kinderarbeit missachtet werden. Allein schätzungsweise 79 Millionen Kinder arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen beispielweise in Textilfabriken oder in der Rohstoffgewinnung – auch für Medizinprodukte, die nach Deutschland importiert und hierzulande konsumiert werden. Kennen Sie die möglichen menschenrechtlichen Risiken in Ihrer Liefer- und Wertschöpfungskette?
Um der Frage nachzugehen, hat die Bundesregierung einen regulatorischen Rahmen vorgegeben, der klare und umsetzbare Anforderungen für die Sorgfaltspflichten von Unternehmen festlegt und so Rechtssicherheit für Unternehmen und Betroffene schaffen soll. Die mit dem „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten (Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - LkSG)“ angesprochenen Verpflichtungen zur besonderen Sorgfalt zielen auf den Schutz grundlegender und speziell auf Arbeitnehmer bezogener Menschenrechte, die Beachtung von Sozial- und Umweltschutzstandards sowie auf Diskriminierungsverbote ab.
Das LkSG entfaltet unmittelbar Wirkung ab dem 01.01.2023 gegenüber solchen Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die mindestens 3.000 Mitarbeitende beschäftigen, ungeachtet ihrer Rechtsform. Dabei sind Arbeitnehmer aus verbundenen Unternehmen, ebenfalls mit Sitz in Deutschland, und LeiharbeiterInnen (nach einer Frist) mit zu berücksichtigen. Beginnend mit 2024 werden die Pflichten auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten ausgedehnt. Die Sorgfaltspflichten der betroffenen Unternehmen erstrecken sich im Allgemeinen auf die gesamte individuelle Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Konsumprodukt sowie auf den eigenen Betrieb und die unmittelbaren Zulieferer. Die gesetzlichen Anforderungen an die Unternehmen sind dabei abgestuft, insbesondere nach dem Einflussvermögen auf den Verursacher der Pflichtverletzung sowie nach den unterschiedlichen Stufen in der Lieferkette. Das bedeutet: Unternehmen, die nicht direkt in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, können jedoch ebenfalls mittelbar davon betroffen sein – grundsätzlich immer dann, sollten Kenntnisse über akute Menschenrechtsverletzungen in den Lieferketten vorliegen. Somit erfasst das LkSG nicht nur das Handeln im eigenen Geschäftsbereich des Unternehmens, sondern auch das Handeln unmittelbarer und mittelbarer Zulieferer. Insgesamt wird der Begriff Lieferkette mithin denkbar weit ausgelegt.
Mit dem LkSG wird keine zusätzliche Rechtsgrundlage für eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für Schäden eingeführt, die aus der Verletzung von menschenrechtsbezogenen oder sozial- und umweltbezogenen Pflichten in ihren Lieferketten resultieren. Vielmehr müssen Unternehmen mit Geldstrafen rechnen, wenn sie ihren gesetzlichen Sorgfaltspflichten nicht nachkommen. Zudem bestehen gewisse Haftungsrisiken für die Geschäftsleitung und die Kontrollgremien.
Verletzung von Menschrechten – Branchenbeispiele Gesundheitswirtschaft
Auch wenn die Gesundheitswirtschaft nicht die anfälligste Branche für Schlagzeilen im Zusammenhang mit möglichen Menschenrechtsverletzungen ist, vollkommen frei von Risiken und möglichen Verletzungen ist sie nicht.
Nehmen wir beispielsweise die Beschaffung von medizinischer Schutzausrüstung. Einer der weltweit führenden Produzenten von Einweghandschuhen wurde 2021 von den US-amerikanischen Zoll- und Grenzschutzbehörden bezichtigt, unter dem Einsatz von Strafgefangenen und Zwangsarbeitern seine Produkte gefertigt zu haben. Viele deutsche Unternehmen kauften bei diesem Hersteller direkt oder indirekt über einen Großhändler ein.
Ein weiteres Themenfeld ist spätestens seit der Corona-Pandemie in der öffentlichen Wahrnehmung und Berichterstattung ein Dauerbrenner – der Pflegenotstand. In diesem Zusammenhang sind menschenrechtliche Risiken beispielsweise aufgrund der Zahlung eines ungleichen Entgelts für gleichwertige Arbeitsleistungen vor dem Hintergrund des Geschlechts oder der sozialen Herkunft nicht außer Acht zu lassen. Unter diesen Risiken können zudem auch das Vorenthalten eines angemessenen Lohns und das Missachten von geltenden Pflichten des Arbeitsschutzes subsumiert werden. Insbesondere der Personalmangel im Allgemeinen, aber auch die Arbeitsbelastung und der Arbeitsdruck im Speziellen dürfen bei der Beurteilung und Dokumentation der Sorgfaltspflichten nicht vernachlässigt werden.
Darüber hinaus lässt sich aus dem aktuellen Forschungsbericht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) mit dem Titel „Die Achtung von Menschenrechten entlang globaler Wertschöpfungsketten“ entnehmen, dass generell bei Herstellung und Entwicklung pharmazeutischer Erzeugnisse menschenrechtliche Risiken bestehen. Das bezieht sich unter anderem auf die Missachtung von Eigentumsrechten und auf die Erprobung neuer Medikamente (vgl. BMAS, Die Achtung von Menschenrechten entlang globaler Wertschöpfungsketten, Seite 138). In diesem Zusammenhang wurden in der Vergangenheit Menschenrechtsverletzungen zulasten vulnerabler Gruppen im Rahmen von klinischen Versuchen dokumentiert (vgl. Ebenda, Seite 138). Insgesamt sind zehn solcher menschenrechtlichen Beschwerden gegenüber deutschen Unternehmen in den letzten Jahren in der Datenbank des Business and Human Rights Resource Centre aufgeführt (vgl. Ebenda, Seite 47). Nicht zu vergessen sind die die Rohstoffgewinnung im Allgemeinen und der Import von Elektroprodukten im Speziellen. Demnach kommt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu dem Schluss, dass die schlechten Arbeitsbedingungen beispielsweise in den Ländern Mexikos oder Vietnam für deutsche Importeure hohe Risiken in Bezug auf die Einhaltung der Menschenrechte und Sozialstandards bedeuten (vgl. BMZ, „Menschenrechtsrisiken für deutsche Unternehmen in ausgewählten Ländern und Sektoren – Fallstudien und Empfehlungen“, Seite 11 ff.). Auszuschließen ist es nicht, dass Materialien oder Bauteile nach Deutschland importierter medizintechnischer Anlagen aus diesen Ländern stammen.
Der Sorgfaltspflichtenkatalog des LkSG
Rechtlich bedeutet das LkSG für Unternehmen vor allem Anpassungs- und Aktualisierungsbedarf in den Bereichen Compliance und nachhaltige Vertragsgestaltung, insbesondere im Rahmen des Einkaufs. Dabei müssen im Wesentlichen die folgenden Maßnahmen ergriffen werden.
- Festlegung von Verantwortlichkeiten für Menschenrechte sowie angemessenes und wirksames Risikomanagement im Unternehmen (§ 4, Abs. 3 LkSG)
- Durchführung einer Risikoanalyse wie, wo und wann das Risiko besteht, dass Menschrechte durch die Tätigkeiten des Unternehmens oder direkter Zulieferer verletzt werden (§ 5 LkSG)
- Formulierung einer Grundsatzerklärung zur Achtung der Menschenrechte und der Umwelt, die von der Unternehmensleitung verabschiedet und unterstützt wird (§ 6, Abs. 2 LkSG)
- Verankerung von konkreten Maßnahmen, sowohl präventiv als auch zur Abhilfe (§ 6, § 7 LkSG). Das betrifft beispielsweise die Lieferantenauswahl und -kontrolle, die Schaffung von Verhaltenskodizes, die Durchführung von Schulungen und auch die nachhaltige Vertragsgestaltung
- Einrichtung eines unternehmensinternen Beschwerdeverfahren (§ 8 LkSG)
- Unternehmensinterne, fortlaufende Dokumentation sowie eine Berichterstattung mit Blick auf die umgesetzten Maßnahmen (§ 10 Abs. 1 f LkSG)
Handlungsempfehlung
Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes bleibt weniger als ein Jahr Zeit. Unternehmen sollten sich frühzeitig mit den kommenden menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten auseinandersetzen. Insbesondere die Durchführung einer robusten Risikoanalyse, als Herzstück der Anforderungen, braucht zeitliche sowie personelle Kapazitäten und Kompetenzen. Regelmäßig sind diese Ressourcen knapp und auch Kompetenzen nur eingeschränkt verfügbar.
Es gilt, keine Zeit zu verlieren. Für weitere Informationen sprechen Sie uns gerne direkt an.
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