Doch verwundert es nicht, dass sich die Gerichte vermehrt mit entsprechenden Verdachtsfällen befassen. Erst kürzlich erschienen erneut Pressemitteilungen über entsprechende Gerichtsverfahren, in denen es um mögliche Schäden und Ersatzansprüche der Betroffenen geht. Auch liegen inzwischen erste Urteile vor (LG Heilbronn, Urteil vom 14.02.2023, Az. 1 O 65/22; LG Hof, Urteil vom 03.01.2023, Az. 15 O 22/21). Die Regelungsmaterie, die es dabei zu betrachten gilt, stellt sich als durchaus komplex dar. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf mögliche Ansprüche gegen diejenigen, die die Impfungen verabreicht haben (zB Ärzte, Impfzentrum, mobile Impfteams, Apotheker). Vielmehr geht es auch um Ansprüche gegen Impfstoffhersteller und sozialrechtliche Ansprüche (Stichwort: Versorgungsanspruch nach dem Infektionsschutzgesetz – IfSG).
Haftung der Impfstoff-Hersteller
Zuletzt wurde berichtet: deutschlandweit sollen über 180 Zivilklagen wegen angeblicher Schäden durch Corona-Impfungen anhängig sein, die sich gegen alle 4 großen Hersteller von Corona-Impfstoffen richten.
Der pharmazeutische Unternehmer haftet gemäß § 84 Abs. 1 Arzneimittelgesetz (AMG) zwar verschuldensunabhängig für Schäden, die dem Geimpften entstanden sind. Die Kausalität zwischen der Anwendung des Arzneimittels und dem Schaden wird dabei vermutet, wenn das Arzneimittel „nach den Gegebenheiten des Einzelfalls geeignet ist, den Schaden zu verursachen“ (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AMG). Zu beachten ist allerdings, dass die Haftung auf schädliche Wirkungen beschränkt ist, die „über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinaus gehen“ oder infolge einer „nicht den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft entsprechenden Kennzeichnung, Fachinformation oder Gebrauchsinformation eingetreten" sind (§ 84 Abs. 1 Satz 2 AMG). Somit haften die Hersteller nicht für schädliche Wirkungen von Arzneimitteln, die – wenn bei Inverkehrbringen bekannt – als vertretbar hinzunehmen wären. Damit dürften allenfalls gravierende gesundheitliche Langzeitschäden von der arzneimittelrechtlichen Gefährdungshaftung erfasst werden, sofern nicht nach den Umständen davon auszugehen ist, dass sie ihre Ursache außerhalb des Bereichs der Entwicklung und Herstellung des Impfstoffs haben (§ 84 Abs. 3 AMG). Hinzu kommt: pharmazeutische Unternehmer haften nach § 88 S. 1 AMG nur bis zu einem Kapitalbetrag von 600.000 € (ein Verletzter) bzw. 120 Mio. € (mehrere Verletzte durch das gleiche Arzneimittel).
Suspendierung zugunsten der Hersteller
Weiterer „Wermutstropfen“ für potenziell Geschädigte: Die soeben skizzierte Gefährdungshaftung wurde durch die im Jahr 2020 vom Bundesgesundheitsministerium geschaffene „Medizinischer Bedarf Versorgungssicherstellungsverordnung – MedBVSV“ teilweise suspendiert. Danach ist die verschuldensunabhängige Haftung nach § 84 AMG ausgeschlossen, wenn der Impfstoff durch das Bundesministerium als Reaktion auf die Verbreitung des Corona-Virus in den Verkehr gebracht wurde und nach den Gegebenheiten des Einzelfalls die mit der Verordnung festgesetzten Abweichungen vom Arzneimittelgesetz geeignet sind, den Schaden zu verursachen. Dies gilt nicht bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit. Nicht abschätzen lässt sich zur Zeit, auf wie viele der in der Bundesrepublik verabreichten Impfdosen die in der Verordnung vorgesehenen Haftungsbeschränkungen Anwendung finden werden. Des Weiteren bereitet auch der genaue sachliche Umfang der Haftungsbeschränkungen in der Praxis noch Probleme. Die Geltungsdauer der Verordnung ist befristet bis zum 31.12.2023.
Versorgungsansprüche gegen den Staat
Nicht zuletzt im Hinblick darauf, dass die Haftung der Impfstoff-Hersteller nicht unerheblichen Einschränkungen unterliegt, gewinnt die Frage nach Ansprüchen Geschädigter gegenüber dem Staat an Bedeutung.
Im Fokus: der infektionsschutzrechtliche Versorgungsanspruch gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a IfSG. Danach erhält jeder, der durch eine Schutzimpfung gegen das Corona Virus aufgrund der CoronaImpfV eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen seines „Impfschadens“ eine Versorgung. Der Impfschaden definiert sich nach § 2 Nr. 11 IfSG als die „gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“. Nach § 61 IfSG muss der Anspruchsteller dabei nicht die Ursächlichkeit der Impfung für den Schaden, sondern nur die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs darstellen. Der Umfang des Versorgungsanspruchs richtet sich nach den Bestimmungen des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), das im kommenden Jahr durch das SGB XIV ersetzt wird, und umfasst beispielsweise Ansprüche auf Heilbehandlung und Hinterbliebenenrente. Das Infektionsschutzgesetz generiert ausschließlich einen gezielten Versorgungsanspruch und keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld. Ansprüche dieser Art wären über einen Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB i.V.m Art. 34 GG) zu begründen, für den es einer Amtspflichtverletzung der impfenden Person bedarf, für die der Staat dann die Haftung übernimmt. Eine solche Amtspflichtverletzung wäre denkbar bei fehlerhafter Verabreichung des Impfstoffs, zu der beispielsweise auch eine fehlerhafte Aufklärung gehört.
Fazit
Wie bereits die vorliegenden Gerichtsentscheidungen zeigen, sind die von den Betroffenen zu überwindenden Hürden keinesfalls gering. Da verwundert es nicht, dass angesichts der Zahl der aktuell anhängigen Klageverfahren von Prozessbeteiligten mit einer regelrechten „Sachverständigenschlacht“ gerechnet wird. Ob sich dies bewahrheiten wird, lässt sich aktuell ebenso wenig abschätzen wie die Erfolgsaussichten der gegen die Impfstoffhersteller eingereichten Klagen.