Zahlreiche Krankenhäuser haben im Laufe der vergangenen Jahrzehnte medizinische Fachbereiche an externe Leistungserbringer ausgegliedert. Großer Beliebtheit erfreute sich das Outsourcen von Labor- und Radiologieleistungen. Dabei ging und geht es nicht nur um die diagnostische Radiologie. Auch die Versorgung stationärer Krankenhauspatienten mit strahlentherapeutischen Leistungen war und ist gerne Thema, ebenso wie der Einkauf anderer Leistungen, die zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gehören. Für die Abrechnung im Anwendungsbereich der gesetzlichen Krankenversicherung bedeutet dies, dass das Krankenhaus die beim Kooperationspartner eingekauften Leistungen als vom Krankenhaus veranlasste Leistung Dritter (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG) und somit als allgemeine Krankenhausleistung der zuständigen Krankenkasse in Rechnung stellt.
Jetzt entschied das Bundessozialgericht, dass der Ausgliederung medizinischer Bereiche, die zum Versorgungsauftrag des Krankenhauses gehören, Grenzen gesetzt sind (Urteil vom 26.04.2022, Az. B 1 KR 15/21 R). Das Urteil, dessen Entscheidungsgründe bei Redaktionsschluss noch nicht vorlagen, sollte bei den Parteien bestehender Kooperationsvereinbarungen dazu führen, diese auf einen möglichen Anpassungsbedarf hin zu überprüfen, um negative rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Der Fall
Das Krankenhaus der Klägerin war im Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg unter anderem mit einer Abteilung für Strahlentherapie aufgenommen, die seit 2005 allerdings nicht mehr bestand. Um dem Versorgungsauftrag Genüge zu tun, schloss die Klägerin 2008 mit einer Gemeinschaftspraxis für Strahlentherapie einen Kooperationsvertrag über die Erbringung strahlentherapeutischer Leistungen für stationäre Krankenhauspatienten. Im Jahr 2010 befand sich die bei der beklagten Krankenkasse Versicherte im Krankenhaus der Klägerin zur vollstationären Behandlung. Im Rahmen des Krankenhausaufenthaltes wurde die bereits zuvor in der Praxis des Kooperationspartners ambulant begonnene Strahlentherapie bei der Versicherten dort fortgesetzt. Hierfür stellte die Strahlentherapie-Praxis dem Krankenhaus ca. 1600 € in Rechnung. Den Krankenhausaufenthalt rechnete die Klägerin zunächst mit ca. 3500 € gegenüber der beklagten Krankenkasse ab und korrigierte die Rechnung später um die strahlentherapeutischen Leistungen, so dass sich ein neuer Rechnungsbetrag in Höhe von insgesamt ca. 7500 € ergab. Hatte die Krankenkasse die Ursprungsrechnung noch beglichen, zahlte sie den Unterschiedsbetrag in Höhe von ca. 4000 € nicht. Der von der Beklagten beauftragte MDK gelangte zu der Auffassung, dass die während einer stationären Krankenhausbehandlung erbrachten ambulanten Leistungen nicht abgerechnet werden könnten. Das Krankenhaus, dessen Klage erst- und zweitinstanzlich noch Erfolg hatte, musste jetzt vor dem Bundessozialgericht eine herbe Niederlage einstecken.
Die Entscheidung
Der 1. Senat des Bundessozialgerichts entschied, dass das Krankenhaus die strahlentherapeutischen Leistungen nicht über § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG als Leistungen eines Dritten habe abrechnen dürfen. Denn die Regelung erlaube es nicht, dass das Krankenhaus wesentliche der vom Versorgungsauftrag umfassten Leistungen regelmäßig und planvoll auf externe Leistungserbringer auslagere, die nicht in seine Organisation eingegliedert seien. Vielmehr sei das Krankenhaus verpflichtet, für die im Versorgungsauftrag ausgewiesenen Bereiche (Fachabteilungen, Zentren, Fachprogramme etc.) die räumliche, apparative und personelle Ausstattung zur Erbringung der wesentlichen Leistungen selbst vorzuhalten. Wesentlich seien dabei alle die Leistungen, die in der ausgewiesenen Fachabteilung regelmäßig notwendig seien – mit Ausnahme unterstützender und ergänzender Leistungen, wie etwa Laboruntersuchungen oder radiologische Untersuchungen. Im vorliegenden Fall sei das Krankenhaus mit einer Fachabteilung für Strahlentherapie im Krankenhausplan ausgewiesen und Bestrahlungen seien für ein Krankenhaus mit einem Versorgungsauftrag für Strahlentherapie wesentliche Leistungen.
Fazit
Da die Entscheidungsgründe noch nicht vorliegen, lassen sich die Risiken, die aus dem Urteil erwachsen, noch nicht genau skizzieren. Der Terminbericht spricht allerdings dafür, dass sämtliche Kooperationen von Krankenhäusern, soweit sie den Versorgungsauftrag berühren, von dem Urteil betroffen sind. Ergänzende Leistungen, wie zB Laborleistungen und radiologische Untersuchungen, dürften außen vor sein. Doch wann genau ist eine Leistung wesentlich? Fraglich bleibt jedenfalls aktuell ebenso, ob das Urteil nur Kooperationen mit fremden Dritten erfasst, oder auch für Tochtergesellschaften des Krankenhausträgers gilt, und ob sämtliche Ressourcen zu 100% selbst vorgehalten werden müssen, oder ob es ausreicht, wenn der überwiegende oder wesentliche Teil vom Krankenhaus bereitgestellt wird. Hinzukommt, dass diverse OPS-Codes Kooperationen ausdrücklich erlauben.
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