Werbemaßnahmen als verbotene Zuweisung gegen Entgelt

Die Vorschriften über (verbotene) Zuweisung gegen Entgelt und die §§ 299a, 299b StGB (Bestechlichkeit bzw. Bestechung im Gesundheitswesen) sind bei jeglichen Kooperationen zwischen Leistungserbringen seit Langem von enormer Bedeutung und werden oftmals unterschätzt oder gar ganz vergessen. Dass die Bestimmungen aber auch im Zusammenhang mit einer geplanten Praxisabgabe von Bedeutung sind, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 09.11.2021, Az. VIII ZR 362/19).

Der Fall

Der Kläger war niedergelassener Zahnarzt. Die Beklagte betrieb ebenfalls eine Zahnarztpraxis, die über einen Stamm von rund 600 Patienten verfügte. Die Parteien unterzeichneten mit Blick auf die von der Beklagten beabsichtigte Aufgabe ihrer Praxis einen Vertrag über die Veräußerung des Patientenstamms der privat- und vertragszahn­ärztlichen Praxis der Beklagten sowie die künftige Versorgung der Patienten durch den Kläger. Zu diesem Zweck vereinbarten die Parteien unter anderem eine Rufumleitung eingehender Telefongespräche und eine Umleitung der Aufrufe der Internetseite der Zahnarztpraxis der Beklagten auf die Domain des Klägers. Mit vollständiger Zahlung des Kaufpreises sollte die Patientenkartei der Beklagten mit sämtlichen Krankenunterlagen in das Eigentum und den Besitz des Klägers übergehen, soweit eine schriftliche Einwilligungs­erklärung der Patienten vorliege; unabhängig von einer solchen Einwilligung sollte der Kläger sowohl die manuell geführte Patientenkartei (in einem verschlossenen Aktenschrank) als auch die elektronische Patientenkartei (geschützt durch ein ihm zur Verfügung stehendes Passwort) für die Beklagte in Verwahrung nehmen. Der „Kaufpreis für den Patientenstamm sowie für die Domain und Telefonnummer (Goodwill)“ sollte 12.000 € betragen. Ferner verpflichtete sich die Beklagte, ihre Patienten über die Beendigung ihrer Tätigkeit und die „Übernahme der Patienten“ durch den Kläger rechtzeitig durch Rundschreiben zu informieren, den Patienten darin die Fortsetzung der Behandlung durch den Kläger zu empfehlen und sie zu bitten, diesem zukünftig ihr Vertrauen zu schenken. Nach Unterzeichnung des Vertrags holte die Beklagte zu dessen Inhalt vorsorglich eine Auskunft der Landeszahnärztekammer ein und verweigerte anschließend die Erfüllung des Vertrags mit dem Bemerken, dass der Vertrag unwirksam sei. Der Kläger zog vor das LG Regensburg, das die Klage abwies (Urteil vom 06.02.2019, Az. 64 O 1580/18). Auch die Berufung beim OLG Nürnberg blieb ohne Erfolg (Urteil vom 26.11.2019, Az. 6 U 713/19). Die Revision zum BGH wurde zugelassen.

Die Entscheidung

Der BGH bestätigte die Nichtigkeit des Kaufvertrags. Der „Verkauf eines Patientenstamms“ sei rechtlich nicht möglich. Nach § 8 Abs. 5 der Berufsordnung für die Bayerischen Zahnärzte sei es dem Zahnarzt nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder eine sonstige wirtschaftliche Vergünstigung zu fordern, sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Bei dieser Vorschrift handele es sich um ein Verbotsgesetz i.S.d. § 134 BGB. Der Verstoß gegen dieses gesetzliche Verbot führe zu der Nichtigkeit der gesamten (§ 139 BGB) vertraglichen Vereinbarung der Parteien nach § 134 BGB.

Der Begriff der „Zuführung“ in §§ 299a, 299b StGB entspreche inhaltlich dem in der einschlägigen Berufsordnung sowie in § 73 Abs. 7 SGB V und § 11 Abs. 1 S. 1 ApoG gleichbedeutend verwendeten Begriff der „Zuweisung“. Hierunter sei jede Einwirkung auf Patienten mit der Absicht zu verstehen, deren Wahl unter Ärztinnen und Ärzten oder anderen Leistungserbringern zu beeinflussen. Entscheidend sei dabei nicht, wie auf die Patientin oder den Patienten eingewirkt werde, sondern mit welcher Intention dies geschehe. Dass in dem Patientenanschreiben, zu dessen Versendung sich die Beklagte verpflichtet hat, eine Zuweisung i.S.d. § 8 Abs. 5 der o.g. Berufsordnung zu sehen sei, liege auf der Hand. Denn die Beklagte habe sich vertraglich explizit dazu verpflichtet, ihren Patienten eine Fortsetzung ihrer Behandlung durch den Kläger zu empfehlen. Es entspreche einhelliger Meinung, dass von dem Begriff der Zuweisung insbesondere auch Empfehlungen erfasst würden. Auch in der Rufumleitung und der Weiterleitung der Seitenaufrufe sei eine Zuweisung zu sehen, weil auch damit beabsichtigt gewesen sei, die Entscheidung der Patienten der Beklagten dahingehend zu beeinflussen, sich durch den Kläger weiterbehandeln zu lassen.

Der Schutzzweck des § 8 Abs. 5 der Berufsordnung der Bayerischen Zahnärzte bestehe darin, dass der Arzt seine Entscheidung, welchem anderen Arzt er Patienten zuweist, allein aufgrund medizinischer Erwägungen im Interesse des Patienten treffen solle. Hierauf solle sich der Patient verlassen können.

Die nach dem Vertrag zu zahlende Vergütung i.H.v. 12.000 € sei als vertraglich vereinbarte Gegenleistung und damit als Entgelt i.S.d. § 8 Abs. 5 der Berufsordnung der Bayerischen Zahnärzte für die Zuweisung der Patienten in Gestalt der „Werbemaßnahmen“ und der Übergabe der Patientenkartei durch die Beklagte anzusehen.

Relevanz in der Praxis

Die Entscheidung ist nicht nur im Zusammenhang mit einer Praxisab- bzw. -übergabe relevant, sondern erfährt durch die Auslegung des berufsrechtlichen Verbots der Zuweisung gegen Entgelt als auch der Vorschriften der §§ 299a, 299b StGB im Zusammenhang mit Kooperationen Bedeutung. Der Beschluss hebt insbesondere die strenge Sichtweise der Rechtsprechung bei der freien ärztlichen Entscheidung, die von wirtschaftlichen Vorteilen unabhängig zu sein hat, heraus. Dies ist bei sämtlichen vertraglichen Gestaltungen im Zusammenhang mit Kooperations­modellen zu beachten.

Fazit

Der BGH hat in dem Beschluss nochmals die Position der Rechtsprung verdeutlicht. Eine Zuweisung umfasst danach insbesondere auch Empfehlungen, wenn damit die Intention verbunden ist, die Entscheidung der Patienten zu beeinflussen. Schutzzweck der entsprechenden Regelungen ist es, dass der Arzt seine Entscheidung nicht an einen wirtschaftlichen Vorteil knüpft, sondern sich allein an medizinischen Erwägungen orientiert. Dies ist bei sämtlichen Kooperationsgestaltungen zu beachten. Angesichts der gravierenden Rechtsfolgen ist hierbei rechtlich sorgsam vorzugehen.

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