BGH: Zur Arzthaftung beim Kaiserschnitt auf Wunsch

In den LEGAL NEWS GESUNDHEITSWIRTSCHAFT (Nr. 5/2020) berichteten wir über das Urteil des OLG Hamm vom 10.12.2019 (Az. 26 U 2/18). In der genannten Entscheidung hatte das Gericht im Fall einer sekundären Wunschsectio die seitens der Kläger gegenüber dem Krankenhausträger und zwei Ärzten der Klinik geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche dem Grunde nach bejaht. Dieser Entscheidung traten die Beklagten entgegen und legten Revision beim Bundesgerichtshof ein, über die dieser mit Urteil vom 12.01.2021 (Az. VI ZR 60/20) entschied. Der BGH hob das Urteil des OLG Hamm auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das erstinstanzlich zuständige LG Paderborn, das die Ansprüche der Kläger seinerzeit abgewiesen hatte.

Der Fall

Die Kindesmutter stellte sich am 21.06.2012 in der 39.+1 Schwangerschaftswoche wegen des Verdachtes auf einen vorzeitigen Blasensprung und wegen leichter vaginaler Blutung in der Klinik der Beklagten vor. Beabsichtigt war zunächst eine vaginale Entbindung. Um 23.00 Uhr äußerte die Kindesmutter im Kreißsaal schließlich den Wunsch nach einer Sectio. Zu diesem Zeitpunkt war der Muttermund bereits 6 cm geöffnet und die Wehen wurden deutlich kräftiger. Nach einer etwa 6-minütigen Aufklärung und der Unterzeichnung des Aufklärungsbogens durch die Kindesmutter erfolgte gegen 23.28 Uhr der Transport in den Operationssaal. Es entwickelte sich im weiteren Verlauf eine nicht mehr zu kontrollierende Blutung, wobei die ebenfalls beklagte Oberärztin wegen einer parallel verlaufenden Risikogeburt für 14 Minuten den OP-Saal verlassen musste. Trotz eingeleiteter Gegenmaßnahmen konnte die Blutung nicht gestoppt werden, so dass um 00.45 Uhr eine Re-Laparotomie erfolgte. Es zeigten sich arterielle Blutungen, so dass schließlich der Chefarzt der Frauenklinik und der Oberarzt der Gefäßchirurgie hinzugezogen wurden. Während der Operation war mehrfach eine Reanimation erforderlich und die Patientin wurde katecholaminpflichtig. Am Folgetag wurde nochmals eine Re-Laparotomie durchgeführt. Dennoch verstarb die Kindesmutter nach Multiorganversagen.

Die Entscheidung

Das OLG Hamm war zu dem Ergebnis gelangt, dass die Durchführung der Sectio fehlerhaft gewesen sei. Der BGH befand hingegen, dass das OLHamm einen Behandlungsfehler gar nicht festgestellt habe. So sei das Sich-Einlassen auf den Wunsch der Patientin nach einer sekundären Sectio nur dann als behandlungsfehlerhaft zu werten, wenn der Eingriff „unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation bei einer Betrachtung ex ante keine medizinisch vertretbare Alternative“ gewesen sei (BGH, Urteil vom 12.01.2021, a.a.O.). Wolle man den Beklagten ein Organisationsverschulden vorwerfen, weil sie die Sectio nicht sowohl unter organisatorischen als auch personellen Gesichtspunkten mit maximaler Sorgfalt vorbereitet hätten, so habe das OLG Hamm konkret erörtern müssen, „wann welche Maßnahme im Einzelnen schadensursächlich unterlassen wurde, die hätte ergriffen werden müssen, und inwiefern ein solches Versäumnis von den jeweiligen Beklagten zu vertreten oder ihnen zuzurechnen wäre“ (BGH, Urteil vom 12.01.2021, a.a.O.). Es komme – entgegen der Ansicht des OLG Hamm – auch nicht darauf an, „ob weitere Ärzte von vornherein bereitstehen oder erst herbeigerufen werden müssen, sondern ob und vor allem wie schnell das Geburtshelferteam in der gebotenen Weise verstärkt werden kann“ (BGH, Urteil vom 12.01.2021, a.a.O.). Des Weiteren wies der 6. Zivilsenat des BGH erneut darauf hin, dass die Ursächlichkeit eines Behandlungsfehlers für den geltend gemachten Gesundheitsschaden nach allgemeinen Regeln (also abgesehen von den Fällen der Beweislastumkehr, z.B. bei groben Behandlungsfehlern) grundsätzlich vom Patienten darzulegen und zu beweisen sei. Dies gelte auch im Falle eines Organisationsfehlers und eines Unterlassens. Maßgeblicher Bezugspunkt für die „korrekte Vorgehensweise“ ist bei der Prüfung eines Organisationsfehlers – entgegen OLG Hamm – dabei nicht etwa die Alternative einer vaginalen Entbindung, sondern die Vornahme der im Zusammenhang mit der Durchführung der Sectio geschuldeten organisatorischen Maßnahmen. Dass sich jedoch ein Organisationsmangel auf das Behandlungsgeschehen ausgewirkt habe und die Sectio bei optimaler Planung und Vorbereitung einen anderen Verlauf genommen hätte und der hier eingetretene Schaden verhindert worden wäre, habe das OLG Hamm gerade nicht festgestellt.

Fazit

Die Aussagen, die der BGH in seinem Urteil trifft, sind erfreulich klar und für die tägliche Praxis wichtig. Dies gilt sowohl für die Frage, wann dem Wunsch der Mutter nach einer Sectio nicht entsprochen werden darf, als auch für Fragestellungen im Zusammenhang mit einem möglichen Organisationsverschulden. 

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