Kein deutscher Sonderweg mehr - Europäischer Gerichtshof zur Verarbeitung von Beschäftigtendaten

Mit seinem Urteil vom 30. März 2023 zum Geschäftszeichen C‑34/21 hat der EuGH eine vielbeachtete Entscheidung zum Beschäftigtendatenschutz getroffen, die eine grundlegende deutsche Regelung zum Beschäftigtendatenschutz verwirft.

Ausgangspunkt war ein Rechtsstreit zwischen dem Hauptpersonalrat der hessischen Lehrerinnen und Lehrer und dem Kultusministerium des Landes über die Verwendung von Videokonferenzsoftware im Unterricht. In diesem Rechtstreit stellte das Verwaltungsgericht Wiesbaden die Frage, ob die maßgebliche Regelung des hessischen Landesrechts, § 23 Abs. 1 des Hessischen Datenschutz- und Informationsfreiheitsgesetzes (HDSIG), mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar ist.

Diese landesrechtliche Regelung lautet:

„Personenbezogene Daten von Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses verarbeitet werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung, Beendigung oder Abwicklung sowie zur Durchführung innerdienstlicher planerischer, organisatorischer, sozialer und personeller Maßnahmen erforderlich ist. …“

Sie soll die Verarbeitung im Dienstverhältnis von Landesangestellten regeln und ist im Wesentlichen deckungsgleich mit § 26 Abs. 1 BDSG, der u.a. auch für Beschäftigungsverhältnisse in privatwirtschaftlichen Unternehmen gilt. Diese Regelung wird als Rechtsgrundlage in den Datenschutzinformationen und Verzeichnissen von Verfahrenstätigkeiten vieler tausender Unternehmen in Deutschland benannt.

Der EuGH hat die Anwendung der deutschen Regelung in Form des hessischen Landesrechts als Verstoß gegen EU-Recht verworfen. Denn bereits nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b. DSGVO ist eine Verarbeitung rechtmäßig, wenn diese für die Erfüllung eines Vertrags oder zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, die auf Anfrage der betroffenen Person erfolgen, erforderlich ist. Der EuGH sieht in der deutschen Regelung lediglich eine inhaltliche Wiederholung der Bestimmung der DSGVO. Da die DSGVO eine einheitliche europaweite Regelung schaffen will, hat der deutsche Gesetzgeber grundsätzlich keinen eigenen Spielraum neben den Bestimmungen der DSGVO.

Die DSGVO hätte dem deutschen Gesetzgeber sogar spezifischen Handlungsspielraum gewährt. Denn Art. 88 Abs. 1 und 2 DSGVO erlauben es den Mitgliedstaaten eigene „spezifische“ Regelungen für Beschäftigungsverhältnisse zu treffen, um die Besonderheiten des Arbeitsverhältnisses zu berücksichtigen. Genau dies liege hier aber nicht vor, denn es fehle bei der deutschen Regelung an einer echten Sonderregelung im Beschäftigungskontext.

Bemerkenswert ist, dass die deutsche Regelung lediglich den Inhalt des vor der DSGVO geltenden § 32 Abs. 1 BDSG übernommen hatte. Der Landes- bzw. Bundesgesetzgeber hatte es sich also einfach gemacht und sich politisch weder getraut, die bisherige beschäftigungsspezifische Regelung aufzuheben und damit die allgemeinen Grundsätze der DSGVO für Beschäftigungsverhältnisse gelten zu lassen, noch eine wirklich umfassende Regelung für diesen Bereich zu treffen. Das Ergebnis ist die vom EuGH zurecht aufgehobene Parallelregelung, die für Rechtsanwender höchst intransparent ist.

Es ist zu wünschen, dass die deutschen Gesetzgeber dieses Signal aus Luxemburg beachten und auch andere „lose Fäden“ des Datenschutzrechts aufnehmen. Denn es gibt viele ungeklärte Abgrenzungen des deutschen Datenschutzrechts zur DSGVO, etwa das noch immer offene, aber praktisch wichtige Verhältnis von KunstUrhG und DSGVO in Bezug auf Fotos.

Für Unternehmen und öffentliche Stellen bedeutet das Urteil, dass die Datenschutzerklärungen gegenüber Arbeitnehmern und Verzeichnisse der Verarbeitungstätigkeiten angepasst werden müssen. Statt der nationalen Regelungen (wie § 26 Abs. 1 BDSG) ist in diesen Dokumenten jetzt Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. b zu nennen. Dies ist eine gute Gelegenheit diese Dokumente zu überarbeiten.

Grundlegende Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitungen für Unternehmen und öffentliche Stellen sind allerdings nicht zu befürchten.

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