Die EntgTranspRL beinhaltet umfassende Regelungen und Verpflichtungen für Unternehmen, die weit über die derzeitigen Vorgaben, insbesondere des deutschen Entgelttransparenzgesetzes, hinausgehen. Arbeitgeber sind verpflichtet, auf objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien beruhende Entgeltstrukturen zu schaffen. Viele Unternehmen werden die zwingend auch im deutschen Recht umzusetzenden Vorgaben derzeit noch nicht erfüllen. Wesentliche Neuerungen werden sich insbesondere in folgender Hinsicht ergeben.
Ein neuer Aspekt der EntgTranspRL ist die Transparenz bei Einstellungsprozessen. Künftig sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, potenziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bereits im Vorfeld ihrer Einstellung detaillierte Informationen bereitzustellen. Dazu zählen das Einstiegsentgelt oder dessen Spanne sowie etwaig einschlägige Bestimmungen eines anwendbaren Tarifvertrags. Diese Informationen sollten frühzeitig und in geeigneter Form zur Verfügung gestellt werden, um fundierte und transparente Verhandlungen über das Entgelt zu ermöglichen.
Darüber hinaus verpflichtet die Richtlinie Arbeitgeber proaktiv ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Informationen über die verwendeten Kriterien zur Festlegung des Entgelts, der Entgelthöhen und der Entgeltentwicklung bereitzustellen. Diese Informationen sind in "leicht zugänglicher Form" vorzulegen, die Kriterien müssen dabei objektiv und geschlechtsneutral sein.
Ein weiteres wesentliches Element der EntgTranspRL sind die erweiterten Auskunftsrechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Diese haben das individuelle Recht, auf Anfrage Informationen über ihre eigene Entgelthöhe sowie über die durchschnittlichen Entgelthöhen zu erhalten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und für Gruppen, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Diese Auskunft muss spätestens innerhalb von zwei Monaten nach der Anfrage schriftlich erteilt werden. Außerdem sind Arbeitgeber verpflichtet, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jährlich über ihr Auskunftsrecht zu informieren.
Die Berichtspflichten für Arbeitgeber werden ebenfalls erheblich erweitert. Unternehmen mit mindestens 100 Beschäftigten müssen detaillierte Angaben über das bestehende Entgeltgefälle zwischen den Geschlechtern, auch Gender Pay Gap genannt, machen. Der Berichterstattungsrhythmus ist gestaffelt nach der Anzahl der Beschäftigten und die relevanten Informationen sind an eine Überwachungsstelle zu übermitteln, die diese sammelt und veröffentlicht. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter, die Arbeitsaufsichtsbehörden sowie Gleichbehandlungsstellen sind dazu befugt, zusätzliche Klarstellungen und Einzelheiten zu den bereitgestellten Daten zu verlangen. Sofern ein geschlechtsspezifisches Entgeltgefälle von mindestens 5 % innerhalb einer Gruppe, die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, festgestellt wird, sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Gründe mit den Arbeitnehmervertreterinnen und -vertretern zu analysieren und einen Aktionsplan („Joint Pay Assessment“) zur Beseitigung von Entgeltunterschieden zu entwickeln.
Ein weiterer bedeutender Punkt der EntgTranspRL ist der Schadensersatzanspruch für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die Richtlinie erleichtert die Geltendmachung von Ansprüchen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die möglicherweise von einer Diskriminierung betroffen sind. Die noch von den Mitgliedsstaaten festzulegenden Regelungen müssen sicherstellen, dass etwaige Schadensersatzzahlungen und Entschädigungsansprüche tatsächlich wirksam abschreckend sind. Diese sollen von vollständigen Nachzahlungen der entgangenen Entgelte sowie entgangener Chancen bis hin zur Kompensation erlittener immaterieller Schäden reichen.
Ebenso ist eine Umkehr der Beweislast vorgesehen: Arbeitgeber müssen nachweisen, dass der Verstoß offensichtlich unbeabsichtigt und geringfügig war bzw. eine Diskriminierung nicht vorliegt. Andernfalls wird von einer Entgeltdiskriminierung ausgegangen. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, wirksame und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen den Grundsatz der Entgeltgerechtigkeit einzuführen. Diese können Geldbußen umfassen, die sich nach dem Bruttojahresumsatz des Arbeitgebers richten. Dazu zählen ebenfalls spezifische Sanktionen für wiederholte Verletzungen, z.B. der Entzug öffentlicher Zuwendungen oder der Ausschluss von sonstigen finanziellen Anreizen oder öffentlichen Ausschreibungen für einen bestimmten Zeitraum.
Fazit
Faktisch werden transparente und gerechte Vergütungssysteme zwingend sein, um compliant mit den zu erwartenden gesetzlichen Vorgaben zu sein und um (unberechtigte) Ansprüche aufgrund der Beweislastumkehr abwehren zu können.
Arbeitgeber sollten daher bereits jetzt ihre Einstellungsprozesse und Entgeltstrukturen bewerten und notwendige Anpassungen sowie die Voraussetzungen, diese im Unternehmen zu implementieren, prüfen. Denn dies wird einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen; nicht nur wenn Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmervertretungen zu beachten sind.
Wer sich frühzeitig mit der Richtlinienkonformität seiner Vergütungs- und Einstellungsentscheidungen beschäftigt, reduziert nicht nur rechtliche Risiken, sondern stärkt auch sein Unternehmensprofil nachhaltig.
Wir unterstützen Sie umfassend in rechtlicher Hinsicht, um mit den neuen und umfassenden Vorgaben der Entgelttransparenzrichtlinie compliant zu sein; von der Evaluierung der bestehenden Entgeltsstrukturen und Einstellungsprozesse („Due Diligence“) über die Entwicklung eines gerechten und transparenten Vergütungssystems, das den neuen Anforderungen gerecht wird, sowie ggf. die Anpassung der Einstellungsprozesse bis hin zur Implementierung eines neuen Vergütungssystems und eines überarbeiteten Einstellungsverfahrens.