Umsetzung der europäischen Arbeitsbedingungen-Richtlinie in nationales Recht – Voraussichtlich ab 1. August 2022 müssen Arbeitsverträge neuen, deutlich strengeren Anforderungen genügen!

Das - Arbeitgebern mitunter wenig geläufige - Nachweisgesetz verpflichtet Arbeitgeber bereits heute, die wesentlichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses schriftlich niederzulegen, die „Niederschrift“ zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Derzeit wird die Nachweispflicht in der Regel durch einen schriftlichen Arbeitsvertrag erfüllt, der – neben Name und Anschrift der Vertragsparteien – übliche Regelungen insbesondere zu Beginn und Dauer des Arbeitsverhältnisses, Arbeitsort und -zeit, Vergütung, Urlaub und Kündigungsfristen enthält. Bei einem Verstoß sieht das derzeitige Recht keine unmittelbaren Sanktionen vor, sondern praktisch relevant sind Auswirkungen eines Verstoßes zulasten des Arbeitgebers primär in beweisrechtlicher Hinsicht.

Dies könnte sich schon bald – voraussichtlich ab dem 1. August 2022 - mit gravierenden rechtlichen Folgen für Arbeitgeber ändern.

Hintergrund ist der kürzlich vorgelegte Gesetzentwurf der Bundesregierung (BT-Drucksache 20/1636) zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU im Bereich des Zivilrechts („Arbeitsbedingungenrichtlinie“). Dieser sieht zur Umsetzung der Arbeitsbedingungenrichtlinie – und zudem deutlich darüberhinausgehend – die Änderung verschiedener Gesetze vor, was nicht nur inhaltlich bei der Arbeitsvertragsgestaltung, sondern auch zeitlich bei der Umsetzung erforderlicher (Muster-)Vertragsänderungen und Nachweisverpflichtungen zu erheblichen Herausforderungen führen wird. Denn das Gesetz könnte voraussichtlich bereits am 1. August 2022 in Kraft treten und sieht Bußgelder bis zu EUR 2.000 je Verstoß gegen das Nachweisgesetz vor.   

Wesentliche Änderungen im Nachweisgesetz

Der Gesetzentwurf enthält vornehmlich Änderungen im NachwG. Mit den beabsichtigten Änderungen werden die Nachweispflichten für neu zu begründende Arbeitsverhältnisse teils erheblich ergänzt und erweitert. So soll künftig - unter anderem - auch Folgendes schriftlich niederzulegen sein:

  • die Dauer der vereinbarten Probezeit;
  • die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts, die jeweils getrennt anzugeben sind, und deren Fälligkeit sowie die Art der Auszahlung;
  • die vereinbarten Ruhepausen und -zeiten; bei vereinbarter Schichtarbeit das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen;
  • bei Arbeit auf Abruf die Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat, die Zahl der mindestens zu vergütenden Stunden, ferner der Zeitrahmen (Referenztage und -stunden), der für die Erbringung der Arbeitsleistung festgelegt ist, und die Frist, innerhalb derer der Arbeitgeber die Lage der Arbeitszeit im Voraus mitzuteilen hat;
  • die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und deren Voraussetzungen;
  • das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Kündigungsfristen sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

Dabei werden sich angesichts der Komplexität des deutschen Kündigungsverfahrens insbesondere zahlreiche Fragen im Zusammenhang mit dem Nachweis der Unterrichtung über das bei einer Kündigung einzuhaltende Verfahren stellen. Selbst eine Beschränkung auf die insoweit in dem Gesetzentwurf genannten Mindestangaben dürfte anspruchsvoll bleiben, wenn man bedenkt, dass allein die Kündigungsfristen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer unterschiedlich sein können und sich zudem der „Vorrang“ von vertraglichen und gesetzlichen Regelungen der Kündigungsfrist in Abhängigkeit von der Dauer des Arbeitsverhältnisses ändern kann.

Besondere Herausforderungen werden sich auch im Zusammenhang mit dem Nachweis eines vereinbarten Schichtsystems, des Schichtrhythmus und der Voraussetzungen für Schichtänderungen ergeben.  

Im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse, die bereits vor dem 1. August 2022 bestanden haben, sieht der Gesetzentwurf vor, dass Arbeitgeber verpflichtet werden, die Niederschrift über wesentliche Angaben des Arbeitsverhältnisses - jedenfalls bzgl. der überwiegenden Anzahl der Angaben - spätestens am siebten Tag nach Zugang einer entsprechenden Aufforderung durch den Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin diesem / dieser auszuhändigen.

Änderungen weiterer Gesetze

Jenseits dessen sieht der Gesetzentwurf Änderungen einer Vielzahl weiterer Gesetze vor, so unter anderem des Teilzeit- und Befristungsgesetzes. Zukünftig sollen Arbeitgeber bei Teilzeitarbeit und befristeten Arbeitsverträgen insbesondere verpflichtet werden, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestanden hat und die in Textform ihren Wunsch nach Veränderung oder nach einem unbefristeten Arbeitsverhältnis angezeigt haben, innerhalb eines Monats eine begründete Antwort in Textform mitzuteilen.

Ferner ist vorgesehen, dass bei befristeten Arbeitsverhältnissen die Probezeit nur noch im Verhältnis zur Dauer der Befristung und Art der Tätigkeit stehen darf. Was dies konkret bedeutet, ist bislang nicht geklärt.

Fazit

Es bleibt abzuwarten, ob sich im Rahmen des weiteren Gesetzgebungsverfahrens noch wesentliche Änderungen an dem vielfach kritisierten Gesetzentwurf ergeben. Angesichts dessen, dass die EU-Mitgliedstaaten und damit auch Deutschland verpflichtet ist, die Arbeitsbedingungenrichtlinie bis zum 31. Juli 2022 umzusetzen, steht dies jedoch nicht zu erwarten. Nach derzeitigem Planungsstand wird der Bundestag am 23. Juni 2022 über den Gesetzentwurf abschließend beraten und abstimmen.

Absehbar ist, dass Arbeitgeber weitreichende Änderungen bei der Arbeitsvertragsgestaltung und dem Nachweis von Arbeitsbedingungen in vermutlich kurzer Frist werden umsetzen müssen, wenn sie sich nicht dem Risiko der Verhängung von Bußgeldern aussetzen möchten. Arbeitgebern ist daher bereits jetzt zu raten, sich mit den erwarteten neuen Anforderungen vertraut zu machen und bestehende Arbeitsvertragsmuster sehr zeitnah anzupassen. Daneben ist zu empfehlen, einen Prozess zu implementieren, damit Arbeitgeber ihrer Nachweispflicht auch bei Altverträgen - nach entsprechender Aufforderung ihrer Arbeitnehmer - binnen einer Woche nachkommen können.