Digital-Gesetze auf den Weg gebracht – Paradigmenwechsel geplant

Neben der Nutzung der Gesundheitsdaten für die Forschung und Versorgung nach dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz sollen auch die elektronische Patientenakte (ePA) und das E-Rezept die Digitalisierung des Gesundheitswesens vorantreiben.

 

Die elektronische Patientenakte

Neu ist sie nicht – bereits seit Januar 2021 können gesetzlich Versicherte die ePA nutzen (§§ 341 Abs. 1 Satz 1, 342 Abs. 1 SGB V) und dazu den digitalen Datenraum mit Dokumenten, Arztbriefen, Befunden befüllen. So können sie und - wenn die Versicherten entsprechend zustimmen - die Behandler einsehen, welche Diagnosen bereits vorliegen, welche Untersuchungen vorgenommen wurden und auch welche Therapien bereits verordnet wurden. Die ePA hat damit das Potential, die Versorgung im Gesundheitswesen in Deutschland sicherer, einfacherer und unkomplizierter zu machen.

Dennoch wird die ePA bisher kaum genutzt. Bisher sollen nicht mal ein Prozent der gesetzlich Versicherten in Deutschland von dem Angebot Gebrauch machen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach möchte das nun ändern und strebt eine Reform weg von der bisherigen Opt-In- hin zu Opt-Out-Lösung an. Diese Änderung darf sicher als Kernelement des Digital-Gesetzes bezeichnet werden. Bisher musste jeder gesetzlich Versicherte, der die ePA nutzen möchte, einen Antrag stellen und sich entsprechend freischalten lassen. Nach dem Referentenentwurf zum sogenannten Digitalgesetz sollen alle gesetzlich Versicherten bis Ende 2024 automatisch eine ePA erhalten. Wer das nicht möchte, muss der Nutzung der ePA aktiv widersprechen. Ziel ist, dass etwa 80 % der gesetzlich Versicherten in Deutschland ab Anfang 2025 über eine ePA verfügen. Abrufbar sollen die Daten über eine App sein.

Nutzen soll die neue „ePA-für-alle“ nicht nur den Versicherten selbst, sondern auch der Forschung. Ziel sei es - so das BMG - über eine zentrale Zugangstelle Daten aus unterschiedlichen Quellen zu verknüpfen. In Bezug auf die ePA kommt auch hier ein Opt-Out-Verfahren zum Einsatz. Alle Versicherten müssen damit der sogenannten „Datenspende“ widersprechen, wenn sie damit nicht einverstanden sind.

 

Das E-Rezept

Darüber hinaus soll auch das E-Rezept verbindlicher Standard werden. So jedenfalls sieht es das Digital-Gesetz vor. Patienten ist es damit möglich, Rezepte direkt über die ePA-App oder über die Gesundheitskarte einzulösen. Nur so sei der Schritt zu einem digitalen Gesundheitswesen in Deutschland möglich. Ab 01.01.2024 soll es für Vertragsärztinnen und -ärzte daher verpflichtend sein, verschreibungspflichtige Arzneimittel in Form von E-Rezepten auszustellen. Dabei sollen die E-Rezepte mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden, so dass sichergestellt werden kann, wer die Rezepte ausgestellt hat und dass der Inhalt der Rezepte nicht verändert wurde. Darüber hinaus sollen nur die Arztpraxis und die Apotheke Einsicht in das Rezept haben. 100 Tage nach dem Einlösen des Rezepts oder auf Initiative des Versicherten werden die Daten außerdem gelöscht. Damit soll die Sicherheit der Daten der Versicherten gewährleistet werden.

 

Reform im Spannungsfeld zwischen Gesundheits- und Datenschutz

Dass vor allem die geplante „Widerspruchslösung“ Kritiker auf den Plan ruft, verwundert nicht. Immerhin handelt es sich hierbei nicht nur um einen rechtserheblichen Systemwechsel, vielmehr soll ein Paradigmenwechsel vollzogen werden. Hinzu kommt, dass die Opt-Out-ePA nicht nur einfachgesetzlichen Anforderungen (zB ärztliche Schweigepflicht) genügen muss. Vielmehr sind vor allem auch verfassungsrechtliche und EU-datenschutzrechtliche Voraussetzungen zu erfüllen. Dabei zeigt sich, dass ein Spagat zu leisten sein wird zwischen einem effektiven Gesundheitsschutz einerseits und wirkungsvollem Datenschutz andererseits. Denn die Patienten sollen durch die geplanten Digital-Gesetze eine bessere Versorgung erhalten und sich gleichzeitig auf einen sicheren Umgang mit ihren Daten verlassen können, die auch zu Forschungszwecken weiterverwendet werden sollen.

 

Fazit

Nachdem die aktuellen gesetzlichen Regelungen zu keinem nachhaltigen Erfolg in Sachen ePA geführt haben, sollen die geplante Neuausrichtung der ePA und das in wenigen Monaten verpflichtende E-Rezept ihren Beitrag zum Aufbau einer – wie es das BMG formuliert – der modernsten medizinischen Digitalinfrastrukturen in Europa leisten. Bis dahin ist es noch ein weiter Weg, denn laut Digital-Health-Index belegt Deutschland den vorletzten Platz unter 17 untersuchten EU- und OECD-Ländern. Weiterer Baustein der vom BMG mit den Digital-Gesetzen gestarteten „Aufholjagd“ soll ein Medizinforschungsgesetz sein, das der umfassenden Beschleunigung Klinischer Studien dient und das noch in diesem Jahr vorgelegt werden soll.