Trotz höherer Kosten – Betriebsrat darf Präsenzschulung statt Webinar wählen

Trotz höherer Kosten – Betriebsrat darf Präsenzschulung statt Webinar wählen

Seit einigen Jahren werden Betriebsratsschulungen vielfach (auch) in digitaler Form angeboten. Die wesentlichen Vorteile gegenüber Präsenzveranstaltungen liegen auf der Hand: Kosten- und Zeitersparnis infolge nicht erforderlicher Reisen und Übernachtungen. Darf ein Arbeitgeber den Betriebsrat mithin bei Schulungsveranstaltungen auf kostengünstigere digitale Angebote verweisen? Mit Beschluss vom 7. Februar 2024 stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) nun klar, dass die Arbeitnehmervertretung nicht nur einen Beurteilungsspielraum bei dem Inhalt der Schulungsveranstaltung, sondern auch bei der Wahl des Schulungsformats hat. Nach Ansicht des BAG waren die Übernachtungs- und Verpflegungskosten für ein Präsenzseminar zweier Mitglieder der Arbeitnehmervertretung auch dann vom Arbeitgeber zu tragen, wenn derselbe Schulungsträger ein inhaltsgleiches Webinar anbietet (vgl. BAG, Beschl. v. 7.2.2024 – 7 ABR 8/23).

Hintergrund

Zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten besteht über die Frage der Erforderlichkeit einer Betriebsratsschulung häufig Uneinigkeit. Diesbezügliche Auseinandersetzungen gehören mithin zu den arbeitsrechtlichen „Dauerbrennern“.

Nach den Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) muss der Arbeitgeber die im Zusammenhang mit der Schulung anfallenden Kosten (einschließlich Übernachtungs- und Verpflegungskosten) übernehmen, soweit die Teilnahme für die Betriebsratsarbeit erforderliche Kenntnisse vermittelt und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt ist. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Schulungsteilnahme steht dem Betriebsrat ein gewisser Beurteilungsspielraum zu. Der Betriebsrat darf den Arbeitgeber jedoch nur mit Kosten belasten, die er für angemessen halten darf. Er hat die durch seine Tätigkeit verursachten Kosten auf das notwendige Maß zu beschränken. Der Betriebsrat darf die Teilnahme an einer Schulungsveranstaltung daher nicht für erforderlich halten, wenn er sich vergleichbare Kenntnisse zumutbar und kostengünstiger auf andere Weise verschaffen kann. Er muss sich jedoch nicht für die kostengünstigste Schulungsveranstaltung entscheiden, wenn er eine andere Schulung für qualitativ besser hält. 

Sachverhalt

In dem der Entscheidung des BAG zugrundeliegenden Sachverhalt war bei der Arbeitgeberin, einer Luftfahrtgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf, aufgrund eines Tarifvertrages eine Personalvertretung errichtet, deren Schulungsanspruch sich nach dem BetrVG richtet. Ursprünglich beantragte die Personalvertretung für zwei ihrer neuen Mitglieder aus Köln und Düsseldorf die Teilnahme an einer viertägigen Schulung zum Betriebsverfassungsrecht auf Rügen. Dies wurde von Seiten der Arbeitgeberin abgelehnt, verbunden mit der Bitte, eine inhaltsgleiche ortsnahe Schulung oder – was von dem Schulungsträger auch angeboten wurde – ein Webinar auszusuchen. Die Personalvertretung entsandte die Mitglieder sodann zu einer Schulung zum Betriebsverfassungsrecht nach Potsdam; die alternativ von der Arbeitgeberin vorgeschlagenen ortsnahen Präsenzschulungen lehnte die Personalvertretung aus terminlichen Gründen und das Webinar mit dem Hinweis auf eine unterschiedliche Qualität der Veranstaltung ab. Die Arbeitgeberin übernahm zuletzt zwar die Seminargebühren i.H.v. EUR 1.818,32, lehnte jedoch die Übernahme der Übernachtungs- und Verpflegungskosten i.H.v. insgesamt EUR 1.319,26 u.a. mit der Begründung ab, die Personalvertretungsmitglieder hätten an dem Webinar teilnehmen können, was infolge des Wegfalls von Übernachtungs- und Reisekosten erheblich geringere Kosten verursacht hätte. Die angefallenen Übernachtungs- und Verpflegungskosten seien deshalb nicht erforderlich gewesen.

Entscheidung 

Das BAG verpflichtete die Arbeitgeberin, die Personalvertretung auch von den Übernachtungs- und Verpflegungskosten freizustellen. Bei der Entscheidung über die Erforderlichkeit der Schulungsteilnahme stehe dem Betriebsrat ein Beurteilungsspielraum zu, der sich auch auf die Auswahl des Schulungsformats beziehe. Es obliege grundsätzlich der betrieblichen Interessenvertretung, zu entscheiden, von welcher Schulungsform sie sich im Einzelfall den größeren Schulungserfolg verspricht. Die Personalvertretung habe – unter Berücksichtigung der Erfahrungen und subjektiven Bewertungen ihrer Mitglieder - annehmen dürfen, dass eine Präsenzschulung im Hinblick auf den zu erzielenden Lernerfolg wesentlich effektiver als eine Onlineschulung sei. 

Auch die Einschätzung der Personalvertretung, bei einem Webinar fehle es an dem mit einem Präsenzseminar vergleichbaren und außerhalb des eigentlichen Seminarprogramms „fortgesetzten Gedanken- und Erfahrungsaustausch“ über die Tätigkeit in einer betrieblichen Interessenvertretung, sei ein zulässiges Beurteilungskriterium. Eine im Rahmen des Webinars angebotene Chat-Funktion müsse von der Personalvertretung nicht als gleichwertig gewertet werden. 

Schließlich fielen die durch die Teilnahme an dem Präsenzseminar verursachten Mehrkosten nicht derart ins Gewicht, dass sich die Personalvertretung für das Webinar hätte entscheiden müssen. Eine unangemessene Belastung der Arbeitgeberin sei nicht erkennbar gewesen, denn der Mehraufwand werde durch den - nach Einschätzung des Gremiums - höheren Ertrag in Form von besserer Kommunikationsmöglichkeit und eines höheren Lernerfolgs ausgeglichen.

Fazit:

Das BAG bestätigt die weitreichenden Beurteilungsspielräume der Arbeitnehmervertretungen in Bezug auf ihre interne Organisation und spricht ihnen nunmehr auch einen Beurteilungsspielraum bei der Frage des Schulungsformats zu. Arbeitgeber werden die Kostenerstattung für Präsenzschulungen künftig jedenfalls nicht mehr allein mit dem Verweis auf ein kostengünstigeres Onlineschulungsangebot ablehnen können. Jedoch spricht das BAG den Arbeitnehmervertretungen keinen generellen Anspruch auf die Teilnahme an Präsenzschulungen zu. Da virtuelle Schulungen z.B. auch so ausgestaltet sein können, dass ein direktes Nachfragen während des Seminars per Mikrofon möglich ist, mag den hier vorgebrachten Argumenten (bessere Kommunikationsmöglichkeiten) im Einzelfall der Boden entzogen sein.

Eine kritische Prüfung der Erforderlichkeit der vom Betriebsrat angemeldeten Schulungen (anhand Schulungsinhalt, Schulungsformat, Anzahl und Auswahl der zu schulenden Personen) ist daher arbeitgeberseits in jedem Einzelfall nach wie vor angezeigt. Anzuregen ist aus Arbeitgebersicht dabei auch, selbst zu recherchieren, ob gleichwertige und kostengünstigere Alternativschulungen angeboten werden.

Gerne beraten wir Sie hierzu sowie zu allen hiermit in Zusammenhang stehenden Fragen.