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BAG zu Equal Pay - Entgeltdifferenz zum männlichen Spitzenverdiener reicht zur Vermutung einer geschlechtsbedingten Entgeltbenachteiligung

Das Thema Entgelttransparenz ist angesichts der bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umzusetzenden EU-Entgelttransparenzrichtlinie derzeit eines der aktuellsten HR-Themen. Nun erhöht ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 23. Oktober 2025 (8 AZR 300/24) den Handlungsdruck für Arbeitgeber weiter, ihre Entgeltstrukturen bereits jetzt auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Anderenfalls kann eine ansteigende Entgeltspirale drohen.

Hintergrund

Bereits das aktuelle Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbieten eine geschlechtsspezifische Entgeltdiskriminierung. Männer und Frauen haben bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit Anspruch auf gleiches Entgelt. Mit einer Entgeltdifferenzklage können Mitarbeitende, die von einer Entgeltdiskriminierung betroffen sind, die Zahlung der Vergütungsdifferenz verlangen. Die (in der Regel weibliche) Klägerin muss dabei vortragen und ggf. beweisen, dass sie bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit wegen des Geschlechts ein geringeres Entgelt als ihre männlichen Kollegen erhält. Ihr kommt dabei eine Beweiserleichterung zugute. Wenn sie Indizien beweist, die eine geschlechtsspezifische Benachteiligung vermuten lassen, muss sodann der Arbeitgeber beweisen, dass keine Entgeltdiskriminierung vorliegt. Bislang wurde eine geschlechtsspezifische Benachteiligung weitgehend dann vermutet, wenn das Entgelt der Klägerin unter dem Medianentgelt der männlichen Vergleichskollegen liegt und sie gleiche oder gleichwertige Arbeit leistet. Konnte der Arbeitgeber die vermutete Diskriminierung dann nicht widerlegen, wurde einer Klägerin vielfach die Differenz zu dem Medianentgelt zugesprochen. 

Sachverhalt

In dem der aktuellen Entscheidung des BAG vom 23. Oktober 2025 zugrundeliegenden Sachverhalt begehrte die Klägerin rückwirkend die finanzielle Gleichstellung mit mehreren bestimmten männlichen Kollegen in Bezug auf verschiedene Entgeltbestandteile. Das Einkommen der von der Klägerin zum Vergleich herangezogenen Kollegen lag dabei über dem Medianentgelt aller in derselben Hierarchieebene angesiedelten männlichen Arbeitnehmer.  

Das LAG hat den Ausgleich der Entgeltdifferenz zu den benannten, über dem Medianentgelt der Vergleichsgruppe vergüteten, Vergleichspersonen abgelehnt. Es hat dies damit begründet, dass die Klägerin sich für die Vermutung einer geschlechtsspezifischen Entgeltbenachteiligung nicht auf eine einzige Vergleichsperson des anderen Geschlechts berufen könne.

Entscheidung

Das BAG beurteilte dies abweichend. Ausweislich der – bislang lediglich als Pressemitteilung veröffentlichten – Entscheidung des BAG begründet der Umstand, dass das Entgelt der Klägerin geringer ist als das eines männlichen Kollegen, der die gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichtet, regelmäßig die Vermutung, dass diese Benachteiligung wegen des Geschlechts erfolgt ist. Könne der Arbeitgeber die aus einem solchen Paarvergleich folgende Vermutung einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nicht widerlegen, sei er zur Zahlung des Entgelts verpflichtet, das er dem zum Vergleich herangezogenen Kollegen gezahlt hat. 

Fazit

Mit dieser Entscheidung stärkt das BAG die Position der Klägerseite bei Entgeltdifferenzklagen wegen geschlechtsbedingter Benachteiligung. Kann ein Arbeitnehmer vortragen, dass nur ein Kollege des anderen Geschlechts trotz gleicher oder gleichwertiger Tätigkeit mehr Entgelt erhält, muss der Arbeitgeber widerlegen, dass eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts vorliegt.

Gelingt ihm dies nicht, ist er zur Zahlung des Entgelts der Vergleichsperson verpflichtet. Dieses kann dabei durchaus über dem Medianentgelt der Vergleichsgruppe liegen, es kann sich gar um den Spitzenverdienst innerhalb der Vergleichsgruppe des anderen Geschlechts handeln.

Aber dem nicht genug: Mit der Zahlung des Entgelts der Vergleichsperson des anderen Geschlechts geht für Arbeitgeber das Risiko weiterer Entgeltdifferenzklagen wegen geschlechtsbedingter Benachteiligung einher. Kann etwa eine Arbeitnehmerin erfolgreich die Zahlung des Entgelts des männlichen Spitzenverdieners durchsetzen, wird sich der Arbeitgeber dem Risiko ausgesetzt sehen, dass in der Folge nunmehr männliche Kollegen mit der Begründung einer geschlechtsbedingten Benachteiligung das der Arbeitnehmerin gezahlte Entgelt ebenfalls geltend machen. Drohen kann Arbeitgebern daher eine ansteigende Entgeltspirale.

Für Arbeitgeber besteht daher bereits jetzt Handlungsbedarf, ihre Entgeltstrukturen auf Transparenz und Nachvollziehbarkeit hin zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen. Vergütungsentscheidungen sollten zudem präzise dokumentiert werden. Nur dann werden Arbeitgeber eine Entgeltbenachteiligung wegen des Geschlechts im Streitfall widerlegen können.

Wir beraten Sie selbstverständlich gerne bei der Überprüfung Ihrer Entgeltstrukturen und bei der Entwicklung und Implementierung eines gerechten und transparenten Vergütungssystems.

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