Klima- und energiepolitische Aspekte des Koalitionsvertrages

Am beschlossenen Kohleausstieg wird festgehalten. Er soll beschleunigt werden und idealerweise schon bis 2030 vollzogen werden. Um den im Laufe der nächsten Jahre steigenden Strom- und Energiebedarf zu wettbewerbsfähigen Preisen zu decken, sollen der Ausbau der Erneuerbaren Energien massiv vorangetrieben und moderne Gaskraftwerke errichtet werden.

  • Erdgas ist für eine Übergangszeit unverzichtbar.
  • Die bis zur Versorgungssicherheit durch Erneuerbare Energien notwendigen Gaskraftwerke sollen auch an bisherigen Kraftwerksstandorten gebaut werden.
  • Diese Gaskraftwerke müssen so gebaut werden, dass sie auf klimaneutrale Gase (H2-ready) umgestellt werden können.
  • Die Wasserstoffstrategie wird 2022 fortgeschrieben. Ziel ist ein schneller Markthochlauf. Erste Priorität hat die einheimische Erzeugung auf Basis Erneuerbarer Energien. Für einen schnellen Hochlauf und bis zu einer günstigen Versorgung mit grünem Wasserstoff wird auf eine technologieoffene Ausgestaltung der Wasserstoffregulatorik gesetzt.
  • Bis 2030 soll eine Elektrolysekapazität von 10 GW erreicht werden.
    • Dies soll u. a. durch den Zubau von Offshore-Windenergie sowie europäische und internationale Energiepartnerschaften sichergestellt werden.
    • Der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur soll (finanziell) gefördert werden.
  • Beim Import von Wasserstoff sollen die klimapolitischen Auswirkungen beachtet und faire Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Wirtschaft sichergestellt werden. Auf europäischer Ebene setzt sich die Bundesregierung für eine einheitliche Zertifizierung von Wasserstoff und seinen Folgeprodukten ein und stärkere europäische Importpartnerschaften einsetzen.
  • In der öffentlichen Beschaffung sollen Quoten für grünen Wasserstoff eingeführt werden.
  • Grüner Wasserstoff sollte vorrangig in den Wirtschaftssektoren genutzt werden, in denen es nicht möglich ist, Verfahren und Prozesse durch eine direkte Elektrifizierung auf Treibhausgasneutralität umzustellen.
  • Deutschland soll zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren werden.
  • Bis zum Jahr 2030 sollen mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw in den Verkehr gebracht worden sein.
  • Der Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur soll massiv beschleunigt werden. Bis zum Jahr 20300 sollen eine Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglichen Ladepunkte gebaut werden.
  • Die Erforschung und der Markthochlauf von synthetischen Kraftstoffen in Luft- und Raumfahrt soll unterstützt werden.
  • Nach den Vorschlägen der Europäischen Kommission werden im Verkehrsbereich in Europa im Jahr 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen. Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzt sich Bundesregierung dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können.
  • Der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll drastisch beschleunigt werden.
  • Das Erneuerbaren-Ziel wird auf einen höheren Bruttostrombedarf von 680-750 TWh im Jahr 2030 ausgerichtet. Davon sollen 80 Prozent aus Erneuerbaren Energien stammen.
  • Um den massiven Ausbau zu erreichen, sollen neben dem EEG auch Instrumente für den förderfreien Zubau (wie z. B. langfristige Stromlieferverträge (PPA) eingesetzt und der europaweite Handel mit Herkunftsnachweisen gestärkt werden.
  • Der dezentrale Ausbau der Erneuerbaren Energien soll gestärkt werden. Erneuerbarer Strom, insbesondere aus ausgeförderten Anlagen und Anlagen außerhalb der EEG-Förderung soll stärker in der Erzeugerregion genutzt werden können.
  • Die Planungs- und Genehmigungsverfahren sollen erheblich beschleunigt werden.
  • Ausbau von Photovoltaik
    • Bis zum Jahr 2030 soll Photovoltaik bis auf ca. 200 GW ausgebaut werden.
    • Dazu sollen Netzanschlüsse und die Zertifizierung beschleunigt, die Vergütungssätze angepasst, die Ausschreibungspflicht für große Dachanlagen und die Deckel geprüft werden. Auch innovative Solarenergie wie Agri- und Floating-PV soll gestärkt und die Co-Nutzung ermöglicht werden.
    • Alle geeigneten Dachflächen sollen künftig für die Solarenergie genutzt werden. Bei gewerblichen Neubauten soll dies verpflichtend, bei privaten Neubauten soll es die Regel werden.
  • Windenergie an Land
    • Für die Windenergie an Land sollen zwei Prozent der Landesflächen ausgewiesen werden.
    • Auch in weniger windhöffigen Regionen soll der Windenergieausbau deutlich gestärkt werden. In ganz Deutschland soll auch verbrauchsnah Onshore-Windenergie zur Verfügung stehen und Netzengpässe vermieden werden.
      • Alte Windenergieanlagen sollen ohne großen Genehmigungsaufwand durch neue Anlagen ersetzt werden können.
      • Die Kommunen sollen von Windenergieanlagen und größeren Freiflächen-Solaranlagen auf ihrem Gebiet finanziell angemessen profitieren können.
      • Die Rahmenbedingungen für die Bürger-Energie sollen verbessert werden (Energy Sharing, Prüfung eines Fonds, der die Risiken absichert).
  • Biomasse
    • Die Bioenergie in Deutschland soll eine neue Zukunft haben. Dazu soll eine nachhaltige Biomasse-Strategie erarbeitet werden.
  • Offshore
    • Die Kapazitäten für Windenergie auf See sollen auf mindestens 30 GW im Jahr 2030, 40 GW im Jahr 2035 und 70 GW im Jahr 2045 gesteigert werden.
  • Geothermie
    • Durch Verbesserung der Datenlagen und Prüfung einer Fündigkeitsrisikoversicherung soll das Potential für Geothermie stärker genutzt werden.

Im Rahmen der Novellierung des Steuer-, Abgaben- und Umlagensystems soll die Förderung von Mieterstrom- und Quartierskonzepten vereinfacht und gestärkt werden.

Speicher sollen als eigenständige Säule des Energiesystems rechtlich definiert werden.

Es soll für eine flächendeckende kommunale Wärmeplanung und den Ausbau der Wärmenetze gesorgt werden. Angestrebt wird ein sehr hohen Anteil Erneuerbarer Energien bei der Wärme. Bis 2030 soll 50 Prozent der Wärme klimaneutral erzeugt werden.

  • Am Atomausstieg in Deutschland wird festgehalten.
  • Auf internationaler und europäischer Ebene setzt sich die Bundesregierung dafür ein, dass die Atomenergie für die von ihr verursachten Kosten selbst aufkommt.
  • Die neue Bundesregierung will sich für eine Abschaltung der grenznahen Risikoreaktoren einsetzen.
  • Strom- und Wasserstoffnetze werden als Rückgrat des Energiesystems der Zukunft betrachtet.
  • Der Netzausbau soll im Interesse eines massiven Ausbaus der Erneuerbaren Energien weiter beschleunigt werden.
  • Netzinfrastrukturen sollen in Zukunft auf allen politischen Ebenen stärker gemeinsam und vorausschauend geplant werden.
  • Bis Mitte 2023 soll eine „Roadmap Systemstabilität“ vorgelegt werden.
  • Verteilnetze sollen modernisiert und digitalisiert werden, u. a. durch eine vorausschauende Planung und mehr Steuerbarkeit. Der Rollout intelligenter Messsysteme als Voraussetzung für Smart Grids soll erheblich beschleunigt werden.
  • Es soll zukünftig für attraktive Investitionsbedingungen zur Bereitstellung von Kapital für die Netzinfrastruktur gesorgt werden.
  • Es wird eine Reform der Netzentgelte angestrebt. Dabei soll die Transparenz gestärkt, die Transformation zur Klimaneutralität gefördert und die Kosten der Integration der Erneuerbaren Energien fair verteilt.
  • Es soll ein neues Strommarktdesign („Klimaneutrales Stromsystem“) erarbeitet werden.
  • Um den zügigen Zubau gesicherter Leistung anzureizen und den Atom- und Kohleausstieg abzusichern, sollen bestehende Instrumente evaluiert sowie wettbewerbliche und technologieoffene Kapazitätsmechanismen und Flexibilitäten geprüft werden. Dazu zählen u. a. gesicherte Erneuerbaren-Leistungen, hocheffiziente Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung im Rahmen der Weiterentwicklung des entsprechenden Gesetzes, ein Innovationsprogramm, um H2-ready-Gaskraftwerke auch an Kohlekraftwerkstandorten anreizen zu können, Speicher, Energieeffizienzmaßnahmen und Lastmanagement.
  • Die Finanzierungsarchitektur des Energiesystems soll reformiert werden.
    • Es sollen Anreize für die sektorübergreifende Nutzung von Erneuerbaren Energien, dezentrale Erzeugungsmodelle sowie die Vermeidung von Treibhausgasemissionen gestärkt werden. Es soll gewährleistet werden, dass erneuerbarer Strom wirtschaftlich für die Sektorenkopplung genutzt wird, anstatt die Anlagen wegen Netzengpässen abzuschalten.
  • Staatlich induzierte Preisbestandteile im Energiesektor sollen grundlegend reformiert werden. Dabei soll der CO2-Preis eine zentrale Rolle spielen.
  • Die Finanzierung der EEG-Umlage über den Strompreis wird beendet und soll zum 1. Januar 2023 vom Staatshaushalt übernommen werden.
  • Mit der Vollendung des Kohleausstieges soll die Förderung der Erneuerbaren Energien auslaufen.
    • Im Rahmen dieser Änderungen werden alle Ausnahmen von EEG-Umlage und Energiesteuern sowie die Kompensationsregelungen überprüft und angepasst. Ziel ist es, Steuerbegünstigungen abzubauen, die sich auf die wirtschaftliche Nutzung von Strom beziehen und dabei die Entlastung durch den Wegfall der EEG-Umlage zu berücksichtigen. Die Unternehmen sollen dadurch insgesamt nicht mehr belastet werden.
  • Der europäische Emissionshandel und das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) soll im Sinne des EU-Programms „Fit for 55“ überarbeit werden. Die Bundesregierung wird auf einen steigenden CO2-Preis setzen.
    • Die Pläne der Europäischen Kommission zur Stärkung des bestehenden Emissionshandels wird unterstützt.
    • Die Bundesregierung wird sich auf europäischer Ebene für einen ETS-Mindestpreis sowie für die Schaffung eines zweiten Emissionshandels für die Bereiche Wärme und Mobilität (ETS 2) einsetzen.
    • In den 2030er Jahren soll es ein einheitliches EU-Emissionshandelssystem über alle Sektoren geben, das Belastungen nicht einseitig zulasten der Verbraucherinnen und Verbraucher verschiebt.
    • Der Preis im ETS liegt derzeit bei um die 60 Euro/Tonne. Die Bundesregierung geht davon aus, dass dieser Preis künftig nicht unterschritten, sondern eher steigen wird. Sollte die Entwicklung der nächsten Jahre anders verlaufen und die Europäische Union sich nicht auf einen ETS-Mindestpreis verständigt haben, wird die neue Bundesregierung über die entsprechenden nationalen Maßnahmen entscheiden (wie z. B. Zertifikatlöschung oder Mindestpreis etc.), damit der CO2-Preis langfristig nicht unter 60 Euro/Tonne fällt
  • Das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG), einschließlich der erfassten Brennstoffemissionen in der Industrie (industrielle Prozesswärme), soll auf seine Kompatibilität mit einem möglichen ETS 2 überprüft nd gegebenenfalls so anpasst werden, dass ein möglichst reibungsloser Übergang gewährleistet ist.
    • Energiepreise und CO2-Preise sollen zusammen betrachtet werden. Am bisherigen BEHG-Preispfad festgehalten werden.

Die Bundesregierung will sich auf europäischer Ebene für eine Initiative zur Gründung eines für alle Staaten offenen internationalen Klimaclubs mit einem einheitlichen CO2-Mindestpreis und einem gemeinsamen CO2-Grenzausgleich einsetzen.

  • Es soll eine Industriestrategie entwickelt werden, die in Verbindung mit dem European Green Deal in eine europäische Lösung eingebettet ist und durch geeignete Maßnahmen Carbon Leakage verhindert.
  • Um die nationale Industrie, insbesondere die Grundstoffindustrie, zu unterstützen, sollen in dem für die Erreichung der Klimaziele ausreichendem Maße geeignete Instrumente geschaffen werden (z.B. Carbon Contracts for Difference (Klimaverträge, CCfD). Diese Instrumente werden so ausgestaltet, dass die Rückzahlungsphasen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Es soll die Einführung eines europaweit wirksamen CO2-Grenzausgleichsmechanismus oder vergleichbar wirksame Instrumente unterstützt werden.