Koalitionsvertrag: Änderung der Unternehmensmitbestimmung geplant

Die neue Regierungskoalition hat angekündigt, die Unternehmensmitbestimmung zu reformieren. Dadurch wird die Vertretung von Arbeitnehmern im Aufsichtsrat insbesondere im Mittelstand ganz erheblich ausgeweitet werden. Bisher zu einer gezielten Kontrolle der Mitbestimmung aufgesetzte Strukturen werden diese Funktion in bestimmten Fällen voraussichtlich nicht mehr erfüllen.

Hintergrund und Koalitionsvertrag

Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat von Unternehmen greift im Grundsatz ein, wenn im Unternehmen oder der Unternehmensgruppe mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt sind. In diesem Fall wird ein Drittel der Aufsichtsratsmitglieder von Arbeitnehmern gewählt. Bei Unternehmen oder Unternehmensgruppen mit mehr als 2.000 Arbeitnehmern wird im Grundsatz die Hälfte der Aufsichtsratsmitglieder von Arbeitnehmern gewählt. Das Regelwerk, das der Mitbestimmung zugrunde liegt, ist über mehrere Gesetze verteilt und die Einzelregelungen führen dazu, dass es eine große Anzahl von Unternehmensgruppen mit mehr als 500 Arbeitnehmern gibt, die nicht der Drittelbeteiligung unterliegen.

Das will die neue Regierungskoalition jetzt ändern. Im Koalitionsvertrag ist angekündigt, dass

  • die Drittelbeteiligung durch Änderungen der Zurechnung von Arbeitnehmern im Konzern auf praktisch alle Konzerne mit insgesamt mehr als 500 Arbeitnehmern ausgedehnt wird,
  • die Mitbestimmung für Europäische Aktiengesellschaften (SE) in der Weise ausgedehnt wird, dass nach Gründung der SE ein Wachstum über die relevanten Zahlengrenzen hinweg zu einer Mitbestimmung führt.
  • Der Koalitionsvertag erwähnt nicht die Zurechnung von Arbeitnehmern in der GmbH & Co. KG. Allerdings spricht einiges dafür, dass dies bei der Ausweitung der Zurechnung im Konzern gleich „miterledigt“ wird und auch hier die Mitbestimmung für Unternehmen mit mehr als 500 Arbeitnehmern ausgedehnt wird.

Faktische Beherrschung

Nach derzeitiger Rechtslage unterliegen faktische GmbH-Konzerne mit insgesamt mehr als 500 aber nicht mehr als 2.000 Arbeitnehmern nicht der Unternehmensmitbestimmung, solange nicht eines der Unternehmen allein mehr als 500 Arbeitnehmer beschäftigt. Die faktische Beherrschung der Tochtergesellschaften über das Weisungsrecht der Konzernmutter gegenüber den Geschäftsführern der Tochtergesellschaften führt nicht zu einer Zurechnung der Arbeitnehmer der Tochtergesellschaften zur Konzernmutter. Eine solche Zurechnung findet nur statt, soweit zwischen der Konzernmutter und den Tochtergesellschaften Beherrschungsverträge bestehen.

Anders ist es bei Konzernen mit insgesamt mehr als 2.000 Arbeitnehmern, wo allein die Mehrheitsbeteiligung im Regelfall zur Zurechnung der Arbeitnehmer der Tochtergesellschaften zur Muttergesellschaft führt. Diese Zurechnungsregel für größere Konzerne soll jetzt auf Konzerne mit insgesamt mehr als 500 Arbeitnehmern ausgedehnt werden. Dadurch werden zahlreiche Konzerne, nach Umsetzung der Reformpläne neu unter die Drittelbeteiligung im Aufsichtsrat fallen.

Strukturen mit Personengesellschaften

Bei einer GmbH &Co. KG mit mehr als 500 aber nicht mehr als 2.000 Arbeitnehmern werden die Arbeitnehmer der KG in aller Regel nicht der Komplementär-GmbH zugerechnet. Da Mitbestimmung im Aufsichtsrat nur in Kapitalgesellschaften besteht, sind daher GmbH & Co. KGen in aller Regel nicht mitbestimmt, wenn sie nicht mehr als 2.000 Arbeitnehmer haben. Überschreiten sie diese Grenze, findet eine Zurechnung der Arbeitnehmer der KG zur Komplementär-GmbH in der Regel statt, sodass die Mitbestimmung eingreift.

Der Koalitionsvertrag trifft zu dieser Konstellation keine Aussage. Wenn aber von der Ausweitung der Konzernzurechnung die Rede ist, ist es sehr gut denkbar, dass auch diese Zurechnungsregel im Zuge der geplanten Reform in Sinne einer Ausweitung geändert wird. Das würde zahlreiche GmbH & Co. KGen in die Mitbestimmung führen.

Gestaltung über eine SE

Wird eine Gesellschaft mit nicht mehr als 500 Arbeitnehmern in eine SE umgewandelt, führen die Regelungen zur Mitbestimmung in der Regel dazu, dass die SE nicht mitbestimmt ist. Wenn sich im Laufe der Entwicklung der SE die Arbeitnehmerzahl durch organisches Wachstum auf über 500 oder auch über 2.000 Arbeitnehmer erhöht, ändert sich die Mitbestimmung nicht; es bleibt dabei, dass in der SE keine Mitbestimmung besteht.

Dasselbe gilt entsprechend bei einer Gesellschaft mit zwischen 500 und 2.000 Arbeitnehmern. Diese hat in der Regel nach Umwandlung in eine SE einen drittelmitbestimmten Aufsichtsrat und das ändert sich nicht, wenn sich die Anzahl der Arbeitnehmer auf über 2.000 erhöht.

Dieser sogenannte Einfriereffekt soll im Zuge der Reform beseitigt werden.

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